Die weltweiten Militärausgaben sind auch im Vorjahr weiter gestiegen, diesmal um 3,7 Prozent auf den neuen Höchststand von 2,24 Billionen Dollar (2,05 Billionen = 2.050 Milliarden Euro). In Europa gab es überhaupt den stärksten Anstieg seit mindestens 30 Jahren. Ursächlich war primär der Ukraine-Krieg, aber auch die Spannungen im ostasiatischen Raum. Das geht aus neuen Daten hervor, die am Montag vom Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstitut (SIPRI) veröffentlicht wurden.
Aufrüsten wie nie
Die Militärausgaben stiegen global im Jahr 2022 das achte Jahr in Folge, der bei Weitem stärkste Ausgabenanstieg mit 13 Prozent war laut SIPRI in Europa zu verzeichnen und ging weitgehend auf das Konto Russlands und der Ukraine. Die Militärhilfe für die Ukraine und die Besorgnis über eine verstärkte Bedrohung durch Russland hätten allerdings auch Entscheidungen vieler anderer Staaten beeinflusst, ebenso wie die Spannungen zwischen China und Taiwan.
"Biggest Spender" bleiben mit Abstand die USA mit 877 Milliarden Dollar, was 39 Prozent der gesamten weltweiten Militärausgaben entspricht und dreimal so hoch ist wie die Ausgaben Chinas, des Zweitplatzierten, mit 292 Milliarden. Die russischen Militärausgaben stiegen um rund 9,2 Prozent auf rund 86,4 Milliarden Dollar und katapultierten Wladimir Putins Reich vom fünften auf den dritten Platz. Die von Russland Ende 2022 veröffentlichten Zahlen zeigen, dass die Ausgaben für die "Landesverteidigung" bereits um 34 Prozent höher waren als im Budget von 2021. Das deute darauf hin, dass die Invasion in der Ukraine Russland weit mehr gekostet habe, als es erwartet hätte, sagte Lucie Béraud-Sudreau, Direktorin des SIPRI-Programms für Militärausgaben und Rüstungsproduktion.
Die Militärausgaben der Ukraine erreichten im Jahr 2022 44 Milliarden Dollar. Mit 640 Prozent war das der höchste Anstieg der Militärausgaben eines Landes in einem Jahr, der jemals in den SIPRI-Daten verzeichnet wurde. Infolge dieses Anstiegs und der kriegsbedingten Schäden an der ukrainischen Wirtschaft stieg die militärische Belastung (Militärausgaben im Verhältnis zum BIP) von 3,2 Prozent im Jahr 2021 auf 34 Prozent des BIP im Jahr 2022.
Die Militärausgaben der mittel- und westeuropäischen Staaten beliefen sich im Jahr 2022 auf insgesamt 345 Milliarden Dollar. Real überstiegen sie damit zum ersten Mal die Ausgaben von 1989, als der Kalte Krieg zu Ende ging. Mehrere Staaten haben ihre Militärausgaben nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 deutlich erhöht, andere kündigten an, die Ausgaben über einen Zeitraum von bis zu einem Jahrzehnt zu erhöhen. Einige der stärksten Anstiege wurden in Finnland (36 Prozent), Litauen (27 Prozent), Schweden (12 Prozent) und Polen (11 Prozent) verzeichnet.
"Der Einmarsch in die Ukraine hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Entscheidungen über Militärausgaben in Mittel- und Westeuropa. Dazu gehörten mehrjährige Pläne zur Erhöhung der Ausgaben mehrerer Regierungen", sagte Dr. Diego Lopes da Silva, leitender Forscher des SIPRI-Programms für Militärausgaben und Rüstungsproduktion. "Infolgedessen können wir davon ausgehen, dass die Militärausgaben in Mittel- und Westeuropa in den kommenden Jahren weiter steigen werden."
Dabei wurde der reale Anstieg der weltweiten Militärausgaben im Jahr 2022 laut SIPRI noch durch die Auswirkungen der Inflation gebremst, die in vielen Ländern so hoch war wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Ohne Inflationsbereinigung seien die Gesamtausgaben weltweit um 6,5 Prozent gestiegen.
Westliche Militärhilfe
Genauer beleuchtet hat SIPRI auch die westliche Militärhilfe für die Ukraine nach dem Einmarsch Russlands im Februar 2022. Demnach stellten die USA Kiew Unterstützung im Wert von 19,9 Milliarden Dollar zur Verfügung, die größte einschlägige Zuwendung eines Landes an einen Empfänger in einem Jahr seit dem Ende des Kalten Krieges. Zweit- und drittgrößte Geber waren Großbritannien mit 2,5 Milliarden und Deutschland mit 2 Milliarden Dollar. Auf diese drei Länder entfiel der größte Teil der finanziellen Militärhilfe, die die Ukraine im Jahr 2022 erhielt.
Zusammen mit mehr als 20 weiteren Staaten, die laut SIPRI allerdings keine detaillierten Zahlen veröffentlichten, schätzen die Stockholmer Friedensforscher das gesamte Ausmaß der finanziellen Militärhilfe an die Ukraine im Vorjahr auf mindestens 30 Milliarden US-Dollar – und das ohne die tatsächlichen Waffenlieferungen: Die Schätzung des SIPRI umfasst finanzielle Beiträge, Ausbildungs- und Betriebskosten, Wartungskosten für die der Ukraine gelieferte militärische Ausrüstung und Zahlungen für die Beschaffung zusätzlicher militärischer Ausrüstung – aber nicht den geschätzten Wert der der Ukraine geschenkten gelieferten militärischen Ausrüstung.