Die Erdbevölkerung ist auf mehr als acht Milliarden Menschen angewachsen. Das berichtete der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) am Mittwoch im jüngsten Weltbevölkerungsbericht. Die Organisation forderte in diesem Zusammenhang erneut ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und für alle Frauen weltweit. "Gesellschaften gedeihen, wenn Menschen Chancen nutzen können, wenn sie gesund, gebildet und in der Lage sind, ihre Rechte auszuüben."
Bedingt Bevölkerungswachstum die Klimakrise?
Die Acht-Milliarden-Marke wurde laut UNFPA bereits im November überschritten. Zwei Drittel aller Menschen leben laut dem Bericht jedoch in Gegenden mit niedriger Fertilitätsrate (weniger als 2,1 Kinder pro Frau). Die Bevölkerungsentwicklung müsse oft als vereinfachte Schlussfolgerung dienen, um die multiplen Krisen der heutigen Zeit zu erklären, betonte die Organisation. Es sei demnach falsch Bevölkerungswachstum und Fertilität für die Klimakrise verantwortlich zu machen. "Von acht Milliarden Menschen verdienen etwa 5,5 Milliarden nicht genug Geld, um wesentlich zu den Kohlenstoffemissionen beizutragen; denn um Emissionen zu produzieren, muss eine Person konsumieren können. Lediglich zehn Prozent der Weltbevölkerung sind für die Hälfte aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich", so der Tenor der UNFPA.
Die Anzahl der Regierungen, welche Maßnahmen zum Steigern, Senken oder Erhalten der Geburtenzahl durchsetzen, sei im Steigen. "Dabei ist längst bekannt, dass die politische Instrumentalisierung von Fertilität und Frauenkörpern sehr häufig unwirksam ist", hieß es. Stattdessen müssten politischen Maßnahmen beschlossen werden, die die Gleichstellung aller Geschlechter sicherstellten. "Es ist bewiesen, dass Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitswelt die Produktivität und das Einkommensniveau eines Landes steigert. Die Bildung von Frauen und der Zugang zu selbstbestimmter Familienplanung bringen enorme Dividenden in Form von Wirtschaftswachstum hervor,"
Willibald Zenk, Bereichsleiter für sexuelle und reproduktive Gesundheit bei UNFPA, plädierte darum bei einer Pressekonferenz in Wien für die Stärkung der Rechte von Einzelnen, insbesondere Frauen: "Wenn die Rechte, die Würde und die Gleichwertigkeit aller Menschen wirklich respektiert und gewahrt werden, dann eröffnet sich eine Zukunft mit enormen Möglichkeiten." SPÖ-Bereichssprecherin für globale Entwicklung, Petra Bayr, blies ins gleiche Horn. "Zwang oder Druck auf Einzelne, mehr oder weniger Kinder zu bekommen, kann nie eine Lösung sein." Allen Frauen stehe das Recht auf freie Entscheidungen zu, ergänzte Eva-Maria Holzleitner (ebenfalls SPÖ). Ähnlich äußerte sich auch Eva Ernst-Dziedzic von den Grünen auf dem Medientermin: Es brauche eine Politik weg von patriarchaler Ideologie hin zur Sexualaufklärung an Schulen, Zugang zu Verhütung unabhängig von der Geldbörse und flächendeckendem Zugang zur Abtreibung.
UNFPA fordert einen universellen Zugang zu sexueller Bildung für Menschen in allen Teilen der Welt, speziell für Frauen und Mädchen, ein Recht auf Verhütungsmittel, Kinderwunschbehandlung sowie Schwangerschaftsabbruch samt entsprechender Beratung und eine Umsetzung der weltweiten Sustainable Development Goals (SDGs).
Die Organisation wies vor dem Hintergrund des aktuellen Berichts auf Daten aus 68 Ländern zur sexuellen Selbstbestimmung von Frauen hin. Demnach werde 24 Prozent der Frauen und Mädchen in Partnerschaften die Entscheidung genommen, ob sie Sex haben wollen. Elf Prozent der Frauen in Partnerschaften dürften zudem keine Entscheidungen über die Verwendung von Verhütungsmitteln treffen. Schätzungen zufolge haben 257 Millionen Frauen weltweit einen ungedeckten Bedarf an sicherer Verhütung.
Die Hälfte des prognostizierten Wachstums der Weltbevölkerung wird laut UNFPA bis 2050 auf nur acht Länder entfallen. Dabei handle es sich um die Republik Kongo, Ägypten, Äthiopien, Indien, Nigeria, Pakistan, die Philippinen und die Vereinigte Republik Tansania. "Die Rangfolge der bevölkerungsreichsten Länder der Welt wird sich dadurch drastisch ändert", hieß es in einem Papier des Fonds. Europa sei zudem weltweit die einzige Region, die zwischen 2022 und 2050 einen Bevölkerungsrückgang erwarte.
Bald 1,4286 Milliarden Menschen in Indien
Indien wird China demnächst als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablösen. Nach Schätzungen des UN-Bevölkerungsfonds werden Mitte des Jahres in Indien knapp drei Millionen mehr Menschen leben als im Reich der Mitte, wie dem Weltbevölkerungsbericht hervorgeht. Demnach hat Indien dann 1,4286 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohner und China 1,4257 Milliarden. Die gesamte Weltbevölkerung beläuft sich dann demnach auf 8,045 Milliarden Menschen.
Von der UNO hieß es, dass die Bestimmung des genauen Datums, wann Indien China überholt, angesichts der Datenlage nicht möglich sei. Das betonte auch der Gründungsdirektor des renommierten Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital in Wien, Wolfgang Lutz, gegenüber der APA. Tatsächlich sei davon auszugehen, dass der Wechsel bereits irgendwann im Laufe der vergangenen beiden Jahre stattgefunden haben dürfte. Denn die Geburtenrate in China sei zuletzt rascher und tiefer gefallen als die UNO das in ihren Berechnungen angenommen hatte, so der Demograf.
In Indien beispielsweise fand die jüngste Volkszählung im Jahr 2011 statt. Eigentlich sollte im Jahr 2021 eine neue Zählung folgen, die aber verschoben wurde. Das Bevölkerungswachstum in beiden Ländern hat zuletzt abgenommen. Chinas Bevölkerung schrumpfte im vergangenen Jahr erstmals seit sechs Jahrzehnten. Indiens Bevölkerung dürfte vorerst weiterwachsen.