Die Kamele im nordwestchinesischen Dunhuang – eine Oasenstadt inmitten von Wüstengebiet – klappen einfach ihre Augen und Nasenlöcher zu. Sandstürme können diese Tiere nicht aus der Ruhe bringen. Warnungen wegen schlechter Luftqualität, wonach man Schutz in geschlossenen Räumen suchen soll, solche Warnungen sind im Frühjahr auch nichts Ungewöhnliches in der Provinz Gansu.
Sandstürme haben sich vervierfacht
Aber heuer scheinen sich alle Wüstengeister Chinas verschworen zu haben, seit Wochen schicken sie immer wieder dicke, gelbe Staubwolken aus der Wüste Gobi, aus der Mongolei oder aus der Taklamakan-Wüste bis nach Peking. Selbst der Heilige Volkskongress blieb heuer nicht verschont von Sandstürmen. Die Delegierten stolperten am frühen Morgen durch den gelben Nebel, leicht konnte man sie für eine Fata Morgana halten.
Im Umweltministerium muss man mittlerweile eingestehen, dass sich die Zahl der Sandstürme in den letzten 60 Jahren vervierfacht hat. Die außergewöhnliche Trockenheit sei der Hauptgrund dafür, dass sich Chinas Wüsten auf Tour begeben. Da scheinen auch die zahlreichen Aufforstungsprogramme nicht zu helfen, die rund um Peking den Sand von der Hauptstadt fernhalten sollen. Letztes Wochenende war sogar die Hafenstadt Shanghai von Sandstürmen betroffen, was etwa so oft vorkommt, wie Schnee in der Sahara.
Gearbeitet wird trotzdem
In den sozialen Medien sind die Sandstürme zum Lieblingsthema geworden. Auf Weibo, sozusagen das chinesische Twitter, wurden am Wochenende mehr als zwei Millionen Sandsturm-Chats registriert. "Warum bekommen wir nicht frei, um zu Hause das Ende der Sandstürme abzuwarten?" Dieser Vorschlag verhallte jedoch ungehört in der elektronischen Wolke, die Pekingerinnen und Pekinger müssen wohl weiterarbeiten bis zur Staublunge.
Dabei wäre die Verbesserung der Luftqualität ein wichtiges Anliegen der chinesischen Regierung, immerhin müssen auch die Machthaber dieselbe Pekinger Luft einatmen wie alle anderen. Der Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation wurde zuletzt um das 46-fache überschritten.
Die Wanderarbeiter auf den Baustellen sehen mit ihren Kopftüchern aus wie Tuareg. In gewisser Hinsicht sind auch sie Beduinen, sie ziehen durchs Land von Baustelle zu Baustelle. Zwar ohne Tiere, aber immer auf der Suche nach Arbeit. Auf ihren Schultern ruhen die Hoffnungen der chinesischen Regierung in der wirtschaftlichen Aufholjagd nach dem Ende der Coronapandemie. Der neue Aufschwung darf jetzt nicht vom Winde verweht werden, lautet die Parole. Aber irgendwie bleibt ein ungutes Gefühl, dass alles hier auf Sand gebaut wurde.
Josef Dollinger (Peking)