Es war eine lange Nacht für die Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten und des EU-Parlaments. Erst nach 14 Stunden kam am Donnerstag die Einigung: 42,5 Prozent des Energieverbrauchs in der EU müssen bis 2030 aus erneuerbaren Quellen wie Wind-, Solar- und Wasserkraft kommen müssen, so der Beschluss, der nun noch formal angenommen werden muss. Ersetzt wird damit das bisherige Ziel von 32 Prozent; das EU-Parlament hatte 45 Prozent gefordert. 2021 bezog die EU 22 Prozent ihrer Energie aus regenerativen Quellen.
Dieser Anteil schwankt allerdings von Land zu Land. Während Schweden auf 63 Prozent kommt, liegen Luxemburg, Malta, die Niederlande und Irland unter 13 Prozent; Österreich hielt zuletzt bei 36,4 Prozent. Wind- und Solarparks sollen nun europaweit massiv ausgebaut werden, dazu gibt es auch Begleitmaßnahmen wie etwa beschleunigte Genehmigungsverfahren. Beschlossen wurden auch konkrete Ziele für einzelne Bereiche, etwa im Gebäude- und Verkehrssektor sowie für die Industrie. Jeder EU-Staat muss zudem mindestens ein grenzüberschreitendes Kooperationsprojekt angehen.
Hintertür für die Atomkraft
Unterschieden wird weiterhin zwischen grünem Wasserstoff, der aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird, und Wasserstoff auf Basis von Atomstrom, für den Frankreich gerne Vorteile gehabt hätte. Für die EU-Abgeordnete Barbara Thaler (ÖVP) ein "großer Erfolg": Es sei gelungen, Atomkraft "massiv zurückzufahren und runterzuverhandeln". Sie verweist aber ebenso wie der Grüne-Abgeordnete Thomas Waitz auf ein brisantes Schlupfloch: Für Frankreich gebe es eine Hintertür, wonach es aus Atomenergie produzierten Wasserstoff vom nationalen Gesamtziel abziehen könne.
Aufatmen herrscht nach der Einigung in Österreichs Biomassebranche. Das Verbrennen von Holz soll weiterhin voll als erneuerbare Energie angerechnet werden. Der ursprüngliche Beschluss des EU-Parlaments hatte noch darauf abgezielt, den Energieholzverbrauch in Europa einzubremsen. Vorgesehen war, dass nur noch die Wärme- und Stromgewinnung aus Sägenebenprodukten (wie Späne und Astwerk) gefördert wird, während das Verbrennen von "Primärbiomasse" nicht mehr als erneuerbar eingestuft worden wäre. In Österreich liefen Landwirtschaftskammer und Biomasseverband Sturm und warnten vor dem Ende vieler Heizwerke.
Jubel in der Holzbranche
Nun wurde die Regelung, die vor allem den ausufernden Holzeinschlag in Osteuropa eindämmen sollte, von den EU-Staaten gekippt. Strom und Wärme aus Primärholz gilt somit auch in Zukunft als erneuerbare Energie, wenngleich Heiz- und Kraftwerke ab 7,5 Megawatt Leistung Nachhaltigkeitskriterien erfüllen müssen, etwa kein sägetaugliches Holz oder Holz aus besonders artenreichen Wäldern verbrennen zu dürfen.
Als "vollen Erfolg" sieht das Ergebnis ÖVP-Europaabgeordnete Simone Schmiedtbauer. "Nun können wir weiterhin auf Biomasse in unseren heimischen Wäldern setzen." Auch Biomasse-Präsident Franz Titschenbacher begrüßt die Einigung "ausdrücklich".
Anders Grünen-Abgeordneter Waitz: "Jetzt können sogar Kohlekraftwerke auf Biomassebetrieb umrüsten, während in weiten Teilen Europas die Wälder schon längst übernutzt sind und wir Holz aus Kanada importieren müssen." Der Holzverbrauch werde nun "exponentiell durch die Decke gehen". Sogar das Holz aus kompletten Kahlschlägen, wie sie in Osteuropa betrieben würden, sei nun als erneuerbar anrechenbar, was geradezu absurd sei, argumentiert Waitz.