Das "Rettungsboot" kommt: Als Ersatz für eine im All befindliche beschädigte Raumfähre soll eine unbemannte Kapsel in der Nacht auf Freitag zur Internationalen Raumstation ISS starten. Die Sojus MS-23 soll um 01.24 Uhr MEZ vom russischen Kosmodrom Baikonur in Kasachstan abheben und am Sonntag um 02.01 Uhr MEZ an der Station andocken. Die ungewöhnliche Mission ist nötig, weil die an der ISS angedockte Fähre MS-22 ein Leck hat – wohl verursacht von einem Mikrometeoriten.
Rettungsboot für Russen und Amerikaner
Die austretende Flüssigkeit am Kühlsystem lässt die Rückkehr von zwei Russen und einem US-Amerikaner riskant erscheinen. Trifft das "Rettungsboot" MS-23 wie geplant ein, fliegen die Kosmonauten Sergej Prokopjew und Dmitri Petelin sowie NASA-Astronaut Frank Rubio damit voraussichtlich im Herbst vom Außenposten der Menschheit heim. Die beschädigte Kapsel MS-22 wiederum könnte in der Zwischenzeit unbemannt von der ISS zurückfliegen.
Bei der Raumstation rund 400 Kilometer über der Erde arbeiten Russland und die USA zwar seit mehr als 20 Jahren eng zusammen. Das Verhältnis war aber zuletzt wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine in eine schwere Krise geraten. Nun machte das Leck an der Sojus MS-22 eine enge Koordination nötig.
Denn an der ISS ist auch eine "Crew Dragon"-Fähre angedockt. Die US-Raumfahrtbehörde NASA stellte sie nach Gesprächen mit Betreiber SpaceX, der privaten Raumfahrtfirma von Elon Musk, als vorübergehendes Notfall-Raumschiff zur Verfügung. Dies wurde als möglicher Schritt der Wiederannäherung von Russland und den USA in der Raumfahrt gewertet. Besondere Symbolik kommt auch dem jetzigen Start in Baikonur zu – er erfolgt genau am Jahrestag des Kriegsbeginns. Das hat Experten zufolge jedoch technische Gründe.
"Situation dramatisch verschärft"
"Der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine verschärfte die Situation dramatisch", sagte Europas früherer Raumfahrtchef Jan Wörner der dpa. Die vielen gemeinsamen Aktivitäten seien damals gestoppt und sogar die Zukunft der ISS infrage gestellt worden. "Zum Glück ist wieder so etwas wie Normalität in der Kooperation in der ISS eingetreten, sodass auch ein Amerikaner an Bord einer Sojus wieder zur Erde zurückkommen soll", meinte der jetzige Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften.
Dazu würde eine Entscheidung des wissenschaftlich-technischen Rates der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos passen. Er beschloss der Staatsagentur Tass zufolge vor wenigen Tagen "nach eingehenden Beratungen", das russische Segment der ISS bis 2028 weiterzunutzen.