Rishi Sunak ist der offizielle Hausherr in der Downing Street. Doch der aktuelle Amtsinhaber ist nur ein weiterer britischer Premierminister, der sich mit dem heimlichen Herrscher das Haus hinter der berühmten schwarzen Tür teilen darf. An diesem Mittwoch sind es exakt zwölf Jahre, die Kater Larry im Regierungssitz residiert. Der Chief Mouser, der "oberste Mäusefänger des Vereinigten Königreichs", ist damit länger im Amt als jeder Premier seit Ende des 19. Jahrhunderts.
Cameron holte Katze in die Downing Street
Zuletzt ließ Larry auch Margaret Thatcher hinter sich, die immerhin elfeinhalb Jahre regierte. Gerade in den zuletzt politisch turbulenten Zeiten ist daher das Tier für viele Menschen in Großbritannien zu einer Konstante geworden. Boris Johnsons Skandaljahre, die 49 Tage von Liz Truss und nun Sunak – gleich drei Premierminister erlebte das Land innerhalb weniger Monate. Mit Theresa May sitzt eine weitere Ex-Regierungschefin im Unterhaus, und dass deren Vorgänger David Cameron die Downing Street verließ, ist auch erst sechseinhalb Jahre her.
Doch einer bleibt: Larry. Es war Cameron, der den Kater damals aus einem Tierheim in seinen Amtssitz holte. Ziel: die Rattenplage einzudämmen. Vier Gegenkandidaten habe Larry auf dem Weg in die Downing Street hinter sich gelassen, wissen britische Medien zu berichten. Es sei ein Beschäftigter namens David gewesen, dem es Larry besonders angetan habe, berichtete ein Bekannter des Regierungsmitarbeiters einmal dem Sender Times Radio. Der Kater wurde demnach genommen, "weil er ruhig war und sich nicht darum scherte, ob er ausgewählt wurde oder nicht, im Gegensatz zu anderen bedürftigeren Katzen, die miauten und Aufmerksamkeit wollten".
Rücktrittsforderungen gegen "Chief Mouser"
Gepriesen wurde das Tier damals für seinen Jagdinstinkt. Drei Mäuse habe er bereits erwischt, sagte Cameron wenige Monate nach Larrys Amtsantritt der BBC. Doch bald kamen Zweifel am "Chief Mouser" auf: Als bei einer Kabinettssitzung eine Maus durchs Zimmer lief, gab es sogar Rücktrittsforderungen. Cameron lehnte ab – und Larry, eigentlich als Kompagnon für die Töchter des Premiers gedacht, durfte auch nach dem Auszug des Regierungschefs bleiben. In der berühmtesten Straße Londons ist er nun der unangefochtene Chef: Den Machtkampf mit seinem samtpfotigen Konkurrenten aus dem Außenministerium entschied Larry für sich – Palmerston ging 2020 in Pension.
Sein Aufgabengebiet hat er mittlerweile leicht verändert, wie die Regierung auf ihrer offiziellen Website klarmacht. "Larry verbringt seine Tage damit, Gäste im Haus zu begrüßen, Sicherheitseinrichtungen zu inspizieren und antike Möbel auf Schlafqualität zu testen", heißt es da. Und die Mäuse? Nun, Larry denke über die Lösung des Problems nach – doch sei er noch "in der taktischen Planungsphase".
Sorge um Gesundheit
Stattliche 15 Jahre ist er bereits alt. Einem Satire-Account bei Twitter, der im Namen des Katers das politische Geschehen meist spöttisch kommentiert, folgen mehr als 800.000 Menschen. Zuletzt machten sich aber Sorgen um Larrys Gesundheit breit, er leide an Zysten, hieß es. Die Regierung dementierte sogleich. "Larry war vergangenen Monat für eine Routineuntersuchung beim Tierarzt", hieß es auf Anfrage der Zeitung "Sun". "Er weilt weiter in der Downing Street und fühlt sich katzenartig gut."
Darauf dürfte auch Mitbewohner Sunak hoffen. Denn ein gutes Verhältnis zu Larry gilt als wichtig für die Außendarstellung. Cameron etwa ließ einst demonstrativ ein Foto veröffentlichen, das den Kater auf seinem Schoß zeigte – zuvor waren Gerüchte laut geworden, die beiden verstünden sich nicht. Larry-Beobachter wussten auch schnell, dass Liz Truss' Amtszeit nicht von langer Dauer sein würde: Als sie Larry öffentlichkeitswirksam auf der Türschwelle streichen wollte, zeigte ihr der Kater die kalte Schulter.
Benedikt von Imhoff/dpa