Mensch orakelt noch, wo und wie künstliche Intelligenz (KI) künftig in unser aller Leben Eingang finden wird. Ein sehr spannendes Anwendungsgebiet für KI wird indes immer klarer: die Suche nach außerirdischer Intelligenz. Radioteleskope empfangen Unmengen von Daten aus dem All, allerdings mit lästigen irdischen Interferenzen bzw. Störsequenzen als "Beifang". Diese auszusieben, ist, abgesehen von der allgemeinen Auswertung des Datenberges, eine wahre Sisyphus-Aufgabe.
Potenzielle Aliensignale herausgefiltert
Eben dabei kann KI offenbar helfen: Forscherinnen und Forscher stellten nun im Fachmagazin "Nature Astronomy" den "Deep Learning"-Algorithmus vor, der Störsequenzen aussortiert. Einen ersten Teilerfolg konnte diese Methode bereits vorweisen: Sie hat acht potenzielle "Alien-Signale" von fünf Sternen aus dem Datenwust herausgefiltert, die bislang noch niemandem aufgefallen waren. Die Messungen ließen sich später zwar nicht reproduzieren, denn bei gezielten Nachbeobachtungen waren keine Signale feststellbar. Trotzdem scheint diese neue Radioastronomie-Methode vielversprechend zu sein: Insgesamt 150 Terabyte Datenwust von 820 nahen Sternen habe man durchkämmt, bilanziert nun Studien-Erstautor Peter Ma (University of Toronto).
Christiane Helling, Direktorin des Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, bestätigt das Potenzial des Algorithmus, um Spreu von Weizen zu trennen – schickt aber voraus: "Lassen Sie uns die fachlich korrekte Bezeichnung ,maschinelles Lernen (ML)' verwenden! Die Bezeichnung ,künstliche Intelligenz' ist mit irreführenden Vorabinterpretationen überfrachtet." Sie bestätigt aber: „Maschinelles Lernen eignet sich hervorragend, um aus großen Datenmengen bekannte Signale herauszusuchen. Dazu muss man ,nur’ genau wissen, wonach man sucht, so Helling.
Die Physikerin weiter: "Das ,maschinelle Lernen' wird bereits bei der Auswertung von Beobachtungsdaten bei der Suche nach extrasolaren Planeten, also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, verwendet. Man kennt das Signal, das ein Planet erzeugt, wenn er vor einem Stern vorbeizieht, genau und kann daher gut danach suchen. Das Gleiche gilt auch für die Suche nach Wasser in den Atmosphären extrasolarer Planeten: Man kennt den spektralen Fingerabdruck des Moleküls H2O und kann einen Algorithmus darauf trainieren, eben dieses ,Muster’ in einer riesigen Datenmenge zu finden."
Die Vorteile liegen auf der Hand: "Das Heraussortieren bezieht sich im Wesentlichen auf alle gut bekannten Signale. Händisch ist das sehr mühsam, weil es sehr viele Möglichkeiten gibt. Dazu gehören zum Beispiel alle Radiosignale der Erde oder jenes, das die extrem schnell rotierenden Neutronensterne aussenden. Was dann noch übrig bleibt, ist eben das Unbekannte, das es gilt, auf Herz und Nieren zu prüfen." Mit „Breakthrough Listen“ läuft etwa eine 2015 gestartete kosmische Lauschkampagne, in die der russisch-israelische Multi-Milliardär Juri Milner 100 Millionen US-Dollar steckt: Sie verfolgt das Ziel, eine Million Sternsysteme und die Zentren von 100 Galaxien systematisch zu scannen, eine für den menschlichen Verstand kaum fassbare Größenordnung.
"Eine nicht verschwindende Wahrscheinlichkeit"
Die Suche nach außerirdischer Intelligenz, kurz SETI ("Search for Extraterrestrial Intelligence") wird also vorangetrieben, doch wie wahrscheinlich ist ein "Kontakt"? "Es gibt eine nicht verschwindende Wahrscheinlichkeit, dass dies möglich ist. Ganz einfach deshalb, weil es allein in unserer Galaxie mehr als 400 Milliarden Sterne gibt. Wenn jeder dieser Sterne mindestens einen Planeten beherbergt, sind das wirklich viele Planeten. Wir dürfen aber trotzdem nicht vergessen, dass wir bisher keine zweite Erde in unserer Sonnennachbarschaft gefunden haben", fasst Helling zusammen.
Und andere, theoretisch bewohnbare Welten? "Unser Institut befasst sich mit der Erforschung extrasolarer Planeten. Ich erwarte, dass wir deren erstaunliche Vielfalt verstehen – und wie es dazu kam, dass unsere Erde so unglaublich fein auf unser menschliches Leben abgestimmt ist. Ich glaube auch fest daran, dass die Astrophysik uns helfen wird, unsere Verantwortung für unseren eigenen Planeten wahrzunehmen." Die Hauptfragen dabei: Wie wurden Exopolaneten gebildet? Wie stark verlieren sie im Laufe ihrer Entwicklung Masse? Wie sind ihre Atmosphären aufgebaut? Wie beeinflussen Wolken ihren Wetter- und Klimakreislauf?