Wer schon einmal in Amsterdam war, weiß: Auch Fahrräder können – ob man es glaubt oder nicht – manchmal ähnliche Probleme wie Autos schaffen. Was die beiden Fortbewegungsmittel beispielsweise eint: der Platzmangel. Zumindest dann, wenn ein Großteil der Stadt auf dem Drahtesel sitzt und auf ihn setzt.
Mehr Räder als Köpfe
Um überfüllte Fahrradabstellplätze am Amsterdamer Hauptbahnhof zu entlasten, wird in der niederländischen Hauptstadt nun eine Unterwasser-Fahrradgarage eröffnet. 7000 Fahrräder werden dort ab 26. Jänner Platz finden und in der Untergrund "verbannt". Die Verkehrslösung ist dringend nötig. Das Fahrrad ist das beliebteste Fortbewegungsmittel in den Niederlanden. 36 Prozent der Strecken werden mit dem Drahtesel zurückgelegt, im Land gibt es mehr Räder als Köpfe, sprich: 23,4 Millionen Fahrräder und 17,8 Millionen Menschen. Besonders beliebt ist das "fiets", so das Fahrrad auf Niederländisch, in Amsterdam. Die Stadt zählt über eine halbe Million Fahrten pro Tag.
Das führt natürlich, neben wünschenswerten Effekten wie weniger CO₂-Emissionen oder leisere Straßen, auch zu Herausforderungen: Auch wenn die Bikes nur ein Zehntel des Platzes eines geparkten SUV benötigen, wird der Platz mancherorts eng. Als Reaktion auf den Platzmangel reagierte die niederländische Stadt Utrecht bereits 2019 mit dem Bau eines gigantischen Fahrradparkhauses am Bahnhof Utrecht Centraal. Mit 12.500 Stellplätzen ist die Garage das größte Fahrradparkhaus der Welt.
60 Millionen Euro-Bauprojekt
Auch am Vorplatz des Amsterdamer Hauptbahnhofs wird nun Abhilfe geschaffen. Hunderte abgestellte Räder – einige davon herrenlos und verrostet – sorgen bei Anrainern für Ärger. Denn wichtiger öffentlicher Raum wird Fußgängern, Touristen und Menschen mit Behinderungen dadurch vorenthalten. Der Platz wurde zum Symbol der Verkehrswende – im Positiven wie im Negativen Sinn.
Nach vier Jahren Bauzeit wird das Unterwasser-Bauprojekt Ende Jänner fertiggestellt. Fahrräder können dort für 24 Stunden kostenlos abgestellt werden. Jeder weiterer Tag kostet 1,35 Euro. Gekostet hat die Fertigstellung, samt Ablassens eines Wassersees vor dem Bahnhof, 60 Millionen Euro.
"Es ist ein schönes Projekt, weil es kein Fahrradprojekt ist", sagte der Direktor des Urban Cycling Institute an der Universität Amsterdam, Marco te Brömmelstroet, gegenüber dem "Guardian". "Es macht den wahren (und oft unsichtbaren) Erfolgsfaktor der niederländischen Mobilitäts- und Raumpolitik sichtbar: die Fahrrad-Zug-Kombination." Laut dem Mobilitätsexperten sei das Bauprojekt ein Beispiel für eine gelegene Verkehrswende, die nun einen weiteren Schritt Richtung Modernisierung vollziehe.
Bei der Unterwasser-Garage geht es nämlich neben der Beseitigung von Platzmängeln auch darum, Radfahrer und Radfahrerinnen auf der "letzten Meile" zu unterstützen, sprich: den Pendler-Verkehr mit Rad und Zug zu fördern.