Mit einem massiven Aufgebot hat die Polizei am Mittwoch begonnen, den von Klimaaktivisten besetzten Ort Lützerath im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen zu räumen. Laut Polizei wurden vereinzelt Molotow-Cocktails, Steine und Pyrotechnik in Richtung der Beamten geworfen. Doch auf den ganz massiven Widerstand, wie er befürchtet worden war, trafen die Beamten nach Einschätzung von Beobachtern nicht. Nach etwa zwei Stunden bezeichnete die Polizei die Lage als "stabil".

Die Bedingungen am Tag der Räumung stellten alle in Lützerath vor besondere Herausforderungen. Es regnete stark und anhaltend, ein kräftiger Wind wehte, der Boden war aufgeweicht. Schon am frühen Morgen zog die Polizei Hunderte Einsatzkräfte aus dem ganzen Bundesgebiet rund um den besetzten Ort zusammen.

Gegen Mittag hatte die Polizei den gesamten Bereich abgesperrt. Polizisten könnten auf dem gesamten Gelände damit beginnen, Barrikaden zu entfernen und Aktivisten nach draußen zu bringen. Zu möglichen Verletzten hatte der Polizeisprecher zunächst keine Erkenntnisse. Personen könnten sich, wenn überhaupt, nur noch eingeschränkt in dem Areal bewegen. Aktivisten wollen das Dorf weiterhin besetzen. "Die Menschen sind fest entschlossen dazubleiben, auszuharren, die Bäume und die Gebäude zu schützen", sagte Mara Sauer, eine Sprecherin der Initiative "Lützerath lebt".

Die Räumung soll die Grundlage dafür schaffen, dass der Energiekonzern RWE die unter dem Ort liegende Braunkohle für die Stromerzeugung abbauen kann. Der Konzern gab bekannt, dass bereits am Mittwoch der Rückbau der Siedlung beginnen soll und auch ein Bauzaun errichtet werden soll.

Kinder unter den Demonstranten

Unter den Besetzern sind nach Angaben der Polizei auch Familien mit kleinen Kindern. Die Einsatzkräfte kritisierten das und forderten die Eltern zum Handeln auf. Aufgrund "weitreichender Gefahren" appellierte die Polizei am Mittwoch an die Eltern, den Ort "umgehend mit ihren Kindern zu verlassen". Grundsätzlich sollten alle Kinder und Jugendliche Lützerath nun verlassen. Das zuständige Jugendamt sei an Ort und Stelle und kümmere sich.

Nach Ansicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sei das Einsatzkonzept der Polizei bei der Räumung bisher aufgegangen. "Die gezielte Kommunikation hat zur Deeskalation der Lage beigetragen", sagte der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt am Mittwochmittag. Wendt betonte, dass sich jeder, der sich in Lützerath aufhalte, um zu demonstrieren, illegal dort sei. Die Polizei selbst handele bei der Räumung nach Recht und Gesetz: "Sämtliche Gerichtsurteile haben dies bis dato bestätigt." Wenn Politiker jedoch "Polizei und Störer gleichsetzen", trage dies zur Aushöhlung des Rechtsstaates bei.

Das Verwaltungsgericht Aachen lehnte am Mittwoch zwei weitere Eilanträge der Aktivisten gegen das Aufenthaltsverbot in Lützerath ab. Das Gericht stufte die entsprechende Allgemeinverfügung des Kreises Heinsberg wie bereits in der Vorwoche als "voraussichtlich rechtmäßig" ein, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Das Betreten von Lützerath könne nicht unter Berufung auf zivilen Ungehorsam infolge eines Klimanotstands gerechtfertigt werden. Bereits in der vergangenen Woche waren Klimaaktivisten mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht gescheitert. Nach Angaben des Verwaltungsgerichts haben die Klimaaktivisten weitere Eilanträge eingereicht. Hier gehe es um Versammlungsrecht und die Durchführung einer Mahnwache.

Der Energiekonzern RWE will den neben Lützerath benachbarten Tagebau Garzweiler ausdehnen und die unter dem Ort liegende Kohle abbauen, wozu das von den früheren Bewohnerinnen und Bewohnern verlassene Dorf abgerissen werden muss. Das Unternehmen ist inzwischen Eigentümerin der Siedlung.

Der Konflikt um Lützerath hält seit Monaten an, der Ort ist ein zentrales Symbol für Klimaschutzaktivistinnen und -aktivisten aus ganz Deutschland. Lützerath ist ein Ortsteil der 43.000-Einwohner-Stadt Erkelenz im Westen von Nordrhein-Westfalen. Der inmitten von Feldern gelegene Weiler befindet sich inzwischen unmittelbar an der Kante des Braunkohletagebaus Garzweiler. Die darunter liegende Kohle soll zur Stromgewinnung gefördert werden.

Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach hatte im Vorfeld betont, der Einsatz in Lützerath werde einer der herausforderndsten der letzten Jahre. Dafür waren Einsatzkräfte aus ganz Deutschland zusammengezogen worden.