Mieten ist vor allem in den großen Städten Sydney und Melbourne seit Jahren teuer. Doch in den vergangenen Monaten hat sich die Situation so sehr zugespitzt, dass einige Experten bereits von einer "nationalen Krise" sprechen.
Die Leerstandsquoten sind auf Rekordtiefs gesunken und die Preise sind auf Rekordhöhe. Ein Bericht auf dem Immobilienportal "Realestate.com.au" Ende Dezember sprach von einem "herausfordernden" Mietmarkt in Sydney und prognostizierte, dass die angespannten Bedingungen Anfang 2023 zu einem "Albtraum" werden könnten. Zahlen des Forschungsinstituts SQM Research zeigen, dass in Sydney Ende November nur 1,4 Prozent aller Mietunterkünfte überhaupt verfügbar waren, etwa die Hälfte des Angebots, das ein Jahr zuvor auf dem Markt war. Waren zwölf Monate zuvor noch knapp 20.000 Mietwohnungen leer gestanden, so ist das Angebot auf nur noch 10.000 geschrumpft. Letzteres hat die Preise in die Höhe getrieben – laut SQM Research um fast 29 Prozent. Sydney wird von der Immobilienagentur Savills inzwischen unter den zehn teuersten Mietmärkten der Welt aufgeführt, vor Städten wie Miami, Hongkong und Paris.
Bieterkrieg im Mietmarkt
Häufig überbieten sich Mieter gegenseitig. Zwar ist es im Bundesstaat New South Wales, in dem Sydney liegt, für Immobilienmakler und Vermieter seit Mitte Dezember illegal, eine Mietimmobilie mit einer Preisspanne zu bewerben und offen über Angebote zu verhandeln. Doch die neue Regel ermöglicht es nach wie vor Mietern, von sich aus Angebote zu machen und damit mögliche Konkurrenz zu überbieten.
Letzteres passierte einem jungen Paar, das sich in seiner Verzweiflung an die Facebook-Gruppe "Sydney House and Petsitting" wandte. Der Mann schrieb in seinem Post, ihm und seiner Partnerin sei eine bereits zugesagte Wohnung am Heiligabend um 23 Uhr abgesagt worden. Er habe eine Nachricht erhalten, dass jemand anderer 50 Dollar mehr pro Woche geboten habe. "Sie wünschte mir noch Glück dabei, etwas anderes zu finden", schrieb der Mann. "Mir fiel die Kinnlade runter." Er hoffe nun auf kurzfristige Hilfe über das Forum, denn: "Wir sind in Sydney, es gibt praktisch keine Unterkunft oder die Preise sind astronomisch und wir haben heute keinen Schlafplatz." Glücklicherweise erbarmten sich einige Forumsmitglieder und boten dem Paar eine kurzzeitige Unterkunft an.
Wohnen in der "Weltraum-Kapsel"
In Melbourne, wo die Situation seit Monaten ähnlich haarig ist, machte vor einiger Zeit ein besonderes Mietangebot sogar nationale Schlagzeilen. Dort bietet ein findiger Vermieter Schlafkapseln für 1000 Australische Dollar pro Monat an – umgerechnet sind dies rund 635 Euro. Die Kapseln können auch pro Woche gemietet werden. Sechs Stück sind dabei doppelt gestapelt und in einen Raum gepfercht. "Die Pension und die Kapseln sind voll lizenziert", heißt es in der auf Facebook geposteten Anzeige. "In jede Kapsel passt ein Einzelbett (für eine Person), ausgestattet mit eigenem Spiegel, Ventilator, USB-Anschlüssen, digitalen Bedienfeldern, einstellbaren Leselampen, Safe, Kleiderbügel und Vorhangtür für Privatsphäre." Die Kapseln würden wie "Space Shuttles" aussehen.
Gegenüber der australischen Ausgabe des "Guardian" sagte der Vermieter Frank Chan im vergangenen Jahr, dass die steigende Inflation und weniger Kurzzeitreisende zu den steigenden Kosten beigetragen hätten. Er bewarb seine Pods damit, dass er keine Kaution und keine Stromkosten berechne, Mieter volle Flexibilität hätten, wann sie ausziehen möchten, und er dabei deutlich günstiger sei als 95 Prozent der vergleichbaren Angebote bei Booking.com, Hotels.com oder Airbnb. Chan sagte damals, dass er seine Pods als eine "Lösung" für den angespannten Mietmarkt sehen würde.
Obdachlosigkeit drastisch gestiegen
Laut einer aktuellen Untersuchung ist der Mietstress inzwischen zur am schnellsten wachsenden Ursache für Obdachlosigkeit in Australien geworden. Laut des Australian Homelessness Monitor, der Anfang Dezember veröffentlicht wurde, hat die Zahl der Menschen, die Hilfe bei Obdachlosendiensten suchten, weil sie sich keine Miete leisten konnten, in den letzten vier Jahren um 27 Prozent zugenommen. Dabei traf es die ländlichen Regionen sogar nochmals härter als die städtischen Gebiete.
Deswegen nehmen inzwischen die Forderungen nach staatlichen Investitionen in den sozialen Wohnungsbau zu. Maiy Azize, Sprecherin von Everybody’s Home, einer Kampagne, die Lösungen für die derzeitige Krise sucht, sagte, die australische Regierung müsse 25.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr und mehr Mietbeihilfen zur Verfügung stellen. "Es gibt nicht genug bezahlbare Wohnungen", sagte sie. Millionen von Australiern würden den Preis dafür zahlen – vor allem Familien, Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen, und ältere Menschen würde es hart treffen.
Barbara Barkhausen/Sydney