Ab sofort können die mehr als 900.000 Einwohnerinnen und Einwohner Mallorcas Bahnen, Busse und Züge auf der Insel kostenlos benutzen. Die zunächst auf ein Jahr begrenzte Regelung gilt auch auf den anderen Balearischen Inseln Ibiza, Menorca und Formentera.
Mit dem Null-Euro-Fahrschein haben die Inseln zwei Ziele: "Wir wollen den Bürgern in Krisenzeiten helfen und zugleich eine umweltfreundliche Mobilität fördern", sagt Jose Hila, Bürgermeister der Mallorca-Hauptstadt Palma. In einigen europäischen Regionen existieren bereits ähnliche Modelle: etwa in Luxemburg, wo der gesamte Nahverkehr seit 2020 kostenlos ist.
Touristen haben das Nachsehen
Mit ihrem neuen Gratisticket weitet die progressive Balearenregierung ihre Kampagne für den öffentlichen Nahverkehr aus. Schon seit 1. September haben alle Inselbewohner in den Nahverkehrszügen Mallorcas freie Fahrt. Auch die beiden Stadtbahnstrecken in Palma sind bereits seit September für alle Inselresidenten gratis. Für die Nutzung von Palmas Stadtbussen und für die Inselüberlandbusse gab es in den letzten Monaten im Zuge eines Krisen-Entlastungspakets attraktive Rabatte. Sie beliefen sich für Ticketabonnenten auf 50 bis 70 Prozent des regulären Fahrpreises. Die Busbenutzung ist nun für die Inseleinwohner von Jänner an ebenfalls kostenfrei.
Urlauber und Zweithausbesitzer haben jedoch beim Gratisinselticket das Nachsehen. Sie müssen weiterhin einen regulären Fahrschein kaufen. Nur Bürger, die auf den Baleareninseln mit erstem Wohnsitz gemeldet sind, haben Anrecht auf das Gratisticket – unabhängig der Nationalität. Damit profitieren alle Ausländer, die offiziell auf der Insel leben, ebenfalls vom Freifahrtschein, der mit Steuermillionen subventioniert wird.
Kampf gegen Stau und Luftverschmutzung
Der Kampf gegen den wachsenden Individualverkehr und die damit einhergehende Luftverschmutzung ist auch im Natur- und Urlaubsparadies Mallorca zu einem wichtigen Thema geworden. In Palma, Mallorcas größter Stadt, sind Autostaus inzwischen keine Seltenheit mehr. Das liegt nicht nur an den vielen Touristen, die oftmals mit Mietwagen auf den Inselstraßen unterwegs sind, sondern auch am starken Bevölkerungswachstum. In den letzten 20 Jahren nahm die Zahl der Einwohner auf den Balearen um mehr als 30 Prozent auf 1,8 Millionen zu – vor allem wegen der ausländischen Residenten, die inzwischen nahezu 20 Prozent der Einwohner ausmachen.
Die Förderung des Bus- und Bahnverkehrs macht also deswegen auch auf den Inseln Sinn: "Mit jedem öffentlichen Bus fahren 50 Autos weniger", rechnete Palmas Verkehrsstadtrat Josep Marí bei der Präsentation des neuen Gratistickets vor.
Immer mehr Förderungen für öffentlichen Verkehr
Auf den Kanarischen Inseln gilt übrigens ab sofort ein ähnliches Gratismodell. Für das spanische Festland beschloss Spaniens Mitte-links-Regierung, dass die Nahverkehrs- und Mittelstreckenzüge der staatlichen Bahngesellschaft "Renfe" genauso wie die Überlandbusse zunächst bis Ende 2023 für Pendler kostenlos sind.
Zudem verlängerte die Regierung in Madrid den seit September 2022 geltenden nationalen Krisenrabatt von bis zu 50 Prozent für den urbanen Bahn- und Busverkehr bis Dezember 2023. Die Ankündigung ist ein willkommenes Neujahrsgeschenk für Millionen Nahverkehrsnutzer.
Für Spaniens sozialdemokratischen Regierungschef Pedro Sánchez könnte sich diese Großzügigkeit auszahlen: 2023 ist in Spanien ein Superwahljahr: Im Frühjahr stimmen die Bürger über die Macht in Rathäusern und Regionen ab. Im Herbst steht die nationale Parlamentswahl an.
Ralph Schulze (Madrid)