In mehreren Beiträgen berichtete der "Spiegel" im vergangenen Sommer über die Situation einer Flüchtlingsgruppe an der türkisch-griechischen Grenze. Doch Journalisten anderer Medien hegten Zweifel an der Darstellung. So berichteten etwa NZZ oder FAZ über mögliche Fehler in den Artikeln. 

In den Spiegel-Berichten ging es um den Verbleib einer syrischen Flüchtlingsgruppe, die wochenlang – von griechischen und türkischen Grenzbeamten hin- und hergeschoben – immer wieder auf einer kleinen Insel auf dem Grenzfluss Evros verbringen musste. Nach dem Stich eines Skorpions sei ein fünfjähriges Mädchen namens Maria verstorben. Laut dem Bericht sei das auf griechischem Boden passiert, doch die griechischen Behörden hätten nicht geholfen. 

Gab es Maria gar nicht?

Doch es deutet einiges darauf hin, dass der Todesfall und auch andere Details an der Geschichte falsch sind. Möglicherweise gab es Maria gar nie. Das räumte das Magazin selbst ein und zog die Berichte zurück. Nach der Zuschrift eines Lesers und des griechischen Migrationsministers Notis Mitarachi habe man die Berichte erneut einer "vertieften Recherche" unterzogen. Die Ergebnisse wurden letzte Woche veröffentlicht.

Die interne Untersuchung des Spiegel befasste sich vor allem mit dem Aufenthaltsort der Flüchtlingsgruppe und damit der Frage, ob sie in den Zuständigkeitsbereich Griechenlands oder der Türkei fielen. Tatsächlich konnte der genaue Standort nur für wenige Tage zweifelsfrei nachgewiesen werden. Darüber hinaus recherchierte der Spiegel auch erneut zu dem vermeintlichen Todesfall. Auch hier stellte man im Nachhinein Widersprüche fest. Die Kontaktperson, Baidaa S., die dem Spiegel-Journalisten ursprünglich von dem Tod berichtet hatte, wollte mit dem Magazin nicht mehr sprechen.   

"Hätten deutlich vorsichtiger formulieren müssen"

Vom Spiegel heißt es zusammenfassend: "Angesichts der Quellenlage hätte der Spiegel die Berichte über den Aufenthaltsort der Geflüchteten und vor allem den Tod des Mädchens deutlich vorsichtiger formulieren müssen. Auch wenn ein letztgültiger Beleg fehlt, deutet doch manches daraufhin, dass einige der Geflüchteten den Todesfall in ihrer Verzweiflung erfunden haben könnten. Möglicherweise dachten sie, dass sie dann endlich gerettet würden."

Die Kritik am Spiegel ließ nicht lange auf sich warten. "Die Redaktion hatte schon einmal erfundene Artikel über Flüchtlinge publiziert. Das ist vielleicht kein Zufall", schrieb etwa die Neue Züricher Zeitung. Die Debatte um den "Fall Maria" weckt auch Erinnerungen an die Affäre um um Claas Relotius, die den Spiegel 2018 erschütterte.