Es könnte der letzte Akt eines vierteiligen Twitter-Dramas sein. Der abschließende Paukenschlag erhielt tosenden Applaus im Netz: Der Bösewicht der Geschichte – Andrew Tate (36) – wurde verhaftet, weil er mit einem an Klimaaktivistin Greta Thunberg gerichteten Video bulgarischen Ermittlern unbeabsichtigt seinen Standort verraten haben soll. Konkret hätten die Behörden zugegriffen, nachdem ein Pizzakarton im Video einem Ort zugeordnet werden konnte. So lautete zumindest die Erzählweise, die am Freitag um die Welt ging.
Aber beginnen wir im ersten Akt. Tate ist britisch-amerikanischer Ex-Kickboxer und Influencer, er zeigt sich gerne zigarrenrauchend und vor teuren Autos. Einen Namen machte er sich vor allem als Provokateur. Der Inhalt seiner Postings war voller Frauenhass, Homophobie, gewaltverherrlichend und auch sonst meist fragwürdig – etwa bei Corona. Dass Tates Persönlichkeit ein toxischer Wut-Cocktail ist, war augenscheinlich. Die schweren Vorwürfe gegen ihn – es geht um den Verdacht auf Vergewaltigung und Menschenhandel – waren zunächst aber noch nicht bekannt.
Thunberg als Ziel wütender Männlichkeit
Beliebtes Ziel wütender Männlichkeit ist bekanntlich Greta Thunberg; zweiter Akt. Völlig unprovoziert twitterte Tate am Dienstag an Thunberg: „Ich habe 33 Autos“, listete Motorengrößen auf und bat die Klimaaktivistin um ihre Mailadresse, „damit ich dir eine komplette Liste meiner Autosammlung samt den enormen Emissionen schicken kann“. Thunberg nahm die Attacke mit Humor und antworte (lose übersetzt) „Bitte erleuchte mich und schreib mir an kleinerpenis@hastdunichtsbessereszutun.com“. Die Antwort wurde zum Hit im Netz.
Dritter Akt. Der in seiner Männlichkeit gekränkte Tate reagierte mit humorbefreite Revanche-Tweets. Die machten aber alles nur noch schlimmer, Tate stellte sich selbst auf das Abstellgleis der Lächerlichkeit. Das Netz genoss es, über den Chauvinisten zu spotten.
In einem Video am Donnerstag beschuldigte Tate die „Mainstream-Medien“ und Bots, sich unfairerweise auf Thunbergs Seite geschlagen zu haben, das sei ihm eine Lehre. Vor ihm lag der eingangs erwähnte Pizzakarton, die Festnahme wenig später. Für das Internet und viele Medien war damit der vierte Akt eingeläutet: die Festnahme und Entblößung Tates. Allein, mit der Wahrheit dürfte das wenig zu tun haben.
Und was ist mit dem Pizzakarton?
Der Zusammenhang zwischen dem Pizzakarton und der Festnahme war die Spekulation einer Anwältin auf Twitter. Diese schien gut begründet und wegen der zeitlichen Nähe auch plausibel. Die Spekulation wurde tausendfach geteilt und von vielen Medien vorschnell übernommen. Die Anwältin klärte das selbst auf und entschuldigte sich dafür, nicht klar genug formuliert zu haben. Tatsächlich ermittelte eine für organisiertes Verbrechen zuständige Sondereinheit der rumänischen Staatsanwaltschaft seit April gegen Tate. Junge Frauen seien mit falschen Versprechen angelockt worden und dann zu Sex und pornografischen Aufnahmen gezwungen worden. Auch Tates Bruder Tristan und zwei Rumänen sind in Haft.
Laut Staatsanwaltschaft hat der Karton nichts mit der Festnahme zu tun. Thunberg twitterte zur Festnahme ihres Kontrahenten am Freitag trocken: „Das passiert, wenn man seine Pizzaschachteln nicht recycelt.“
Dank Musk darf Tate wieder twittern
Tate war wegen seiner Hasspostings in vielen sozialen Medien verbannt gewesen. So konnte er jahrelang auch nicht auf Twitter präsent sein. Aufgehoben wurde die Sperre vom neuen Twitter-Chef Elon Musk.