Geschichte auf dem Flaschenetikett: Das ist der Slogan des Weinhändlers Alessandro Lunardelli aus der norditalienischen Provinz Udine, der umstrittene historische Persönlichkeiten wie Hitler, Mussolini oder Stalin auf Weinflaschenetiketten verewigt. Seit fast 30 Jahren sorgt der Winzer aus der hügeligen Ortschaft Pasian di Prato mit seinen Kreationen in Italien und im Ausland für Aufruhr. Doch jetzt will er mit seinen umstrittenen Aufdrucken Schluss machen.
"Historische Kollektionen"
Weine wie Cabernet Blanc, Merlot, Tocai und Gewürztraminer sind mit Bildern historischer Persönlichkeiten versehen, die manche Kunden vor Empörung hell aufschreien lassen. Die Sammlung begann mit einem Roten namens "Mussolini", der in Italien zu einem Renner an der Theke wurde. Wegen des Aufdrucks mit dem Bild des "Duce" kamen Lunardelli und sein Sohn Andrea, der für die "historischen Kollektionen" verantwortlich ist, nicht nur in die Schlagzeilen, sondern auch vor Gericht. Lunardelli ließ sich aber nicht einschüchtern und brachte kurz danach einen "Hitler" auf den Markt. Auch Flaschen mit dem Motto "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" sowie Bilder von Feldmarschall Erwin Rommel und Hermann Göring landeten in den Supermärkten und Weingeschäften in ganz Italien.
Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs ist die Lage für Lunardelli aber heikel geworden. "Aus Russland haben wir Morddrohungen erhalten. Nachdem dort ein Dokumentarfilm über neonazistische Bewegungen in Italien gesendet wurde, sind wir der Verherrlichung des Nationalsozialismus beschuldigt worden. Wir haben Klage eingereicht, Ermittlungen laufen", sagte der 57-jährige Andrea Lunardelli gegenüber italienischen Medien. Ab dem nächsten Jahr werde er die Produktion der historischen Etiketten einstellen.
"Wir waren nie pro-nazistisch oder pro-faschistisch; wir lehnen jede politische Propaganda ab, wir lehnen Symbole wie Hakenkreuze ab, und wir verabscheuen Rassismus. Aber wir geben auf: Ab dem nächsten Jahr wird unsere Weinlinie mit historischen Etiketten nicht mehr produziert", sagte Lunardelli. Er weist jeglichen Vorwurf der Nostalgie und Verharmlosung von Faschismus und Nationalsozialismus zurück. "Vollkommen unparteiisch" biete er auch der politisch links orientierten Kundschaft Flaschen mit den Etiketten Marx, Stalin, Lenin oder Che Guevara an. Aber auch Churchill, Napoleon, Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Sisi stehen im Angebot.
Fragwürdige "Kultobjekte"
Die inzwischen 50 verschiedenen Etiketten wurden zum - fragwürdigen - "Kultobjekt" für so manche Sammler. Die Nachfrage ist groß, unter anderem in Österreich, berichtet Lunardelli. Vor kurzem sorgte die Kärntner Schönheitschirurgin Dagmar Millesi mit einem empörten Posting in sozialen Medien über die Hitler-Weine für Aufsehen. Sie zeigte sich schockiert über Weine mit Hitler-Etikett, die sie in einem Geschäft im italienischen Badeort Jesolo gesehen hatte. "Auch in diesem Fall war das internationale Echo groß", seufzt Lunardelli.
Von nun an will er, dass nicht mehr über seine umstrittenen Etiketten, sondern über die Weinqualität gesprochen wird. "Unsere Priorität wird künftig die Qualität unseres Weines sein", meint Lunardelli. Ganz auf die Mussolini-Nostalgie will er jedoch nicht verzichten. "Wir werden weiterhin einen 'Bitterlikör des Duce' herstellen. Diesen produzieren wir mit einem anderen Unternehmen und wird auf einer eigenen Webseite vertrieben", erklärt der Weinhersteller.