Angesichts der raschen Verbreitung der Affenpocken hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die höchste Alarmstufe ausgerufen. Der Ausbruch sei eine "Notlage von internationaler Tragweite", so WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus am Samstag in Genf. "Es gibt eindeutig das Risiko einer weiteren internationalen Verbreitung, auch wenn das Risiko einer Beeinträchtigung des internationalen Reiseverkehrs gering bleibt", sagte er. Österreich sieht sich gerüstet.
Es gebe noch viele Fragen angesichts der ungewöhnlichen Ausbreitung der Affenpocken, die früher auf wenige Länder in Afrika beschränkt waren. Der Schritt erinnert zwar an die Corona-Krise, wegen der die WHO im Jänner 2020 ebenfalls den Gesundheitsnotstand ausgerufen hatte. Doch sind beide Krankheiten aufgrund der unterschiedlichen Übertragbarkeit nicht miteinander vergleichbar.
Inzwischen seien mehr als 16.000 Affenpocken-Fälle in 75 Ländern bestätigt, außerdem seien fünf Menschen gestorben, sagte Tedros weiter. Besonders betroffen sei Europa. Im Gegensatz zum Rest der Welt schätze die WHO hier das Infektionsrisiko als hoch ein, so der WHO-Chef.
Affenpocken: Lage in Österreich
In Österreich gibt es bisher 99 bestätigte Fälle. Das Gesundheitsministerium betonte am Wochenende, man sei gut gegen Affenpocken gerüstet. Österreich habe bereits alle erforderlichen Maßnahmen getroffen: Affenpocken sind seit 25. Februar als anzeigepflichtige Krankheit eingestuft. Seither erfolgen behördliche Maßnahmen wie Absonderungen und die Nachverfolgung von Kontaktpersonen. Diese Woche ist auch die erste Lieferung von Impfstoff eingetroffen.
Die nun von der WHO ausgerufenen höchste Alarmstufe soll die Regierungen der Mitgliedsländer dazu bewegen, Maßnahmen zu ergreifen, um den Ausbruch einzudämmen. Sie sollen etwa Ärzte und Kliniken sensibilisieren, bei Verdachtsfällen Schutzmaßnahmen treffen und die Bevölkerung aufklären, wie sie sich vor einer Ansteckung schützen kann. "Das ist ein Aufruf, tätig zu werden", betonte WHO-Experte Mike Ryan an die Adresse der Regierungen.
98 Prozent der Betroffenen sind männlich
Auch drei Monate nach dem Ausbruch seien 98 Prozent der Betroffenen Männer, sagte WHO-Expertin Rosamund Lewis. Aktuell konzentrierten sich die Infektionen auf Männer, die Sex mit Männern hätten - vor allem, wenn sie viele Partner hätten. "Das bedeutet, dass dieser Ausbruch gestoppt werden kann - mit den richtigen Strategien in der richtigen Gruppe", sagte Tedros. Zugleich warnte die WHO vor einer Stigmatisierung der Betroffenen. Inzwischen wurden auch in anderen Teilen der Bevölkerung Fälle verzeichnet.
So wurden in den USA nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC mittlerweile zwei Fälle bei Kindern bestätigt. Das teilte die stellvertretende Leiterin der CDC-Abteilung für Krankheitserreger mit hohem Risiko und Pathologie, Jennifer McQuiston, am Freitagabend (Ortszeit). Insgesamt gebe es in den USA mehr als 2.800 bestätigte Fälle.
Mit der Verbreitung der Affenpocken wächst international das Interesse an Impfstoffen. Mindestens drei Impfstoffe scheinen sich laut WHO für eine schützende Injektion zu eignen. Rund die Hälfte der aktuell betroffenen Länder habe bereits Zugang zu diesen Stoffen. Es stünden viele Millionen Dosen zur Verfügung, hieß es. "Wir haben die Werkzeuge", sagte Tedros.
Auch den Ausbruch des Coronavirus Sars-CoV-2 hatte die WHO am 30. Jänner 2020 als internationale Notlage deklariert. Das bedeutet aber nicht, dass die Menschen sich nun bei Affenpocken auf dieselben Maßnahmen wie bei der Corona-Pandemie einrichten müssen. Während sich das Coronavirus durch Aerosole mit Virenpartikeln verbreitet, die Infizierte beim Atmen, Sprechen oder Husten ausstoßen, erfolgen Infektionen mit Affenpocken nach derzeitigem Wissensstand gewöhnlich durch engen Körperkontakt.
Die WHO richtet je nach Krankheit bei Bedarf Notfallausschüsse ein, die mit jeweils anderen Fachleuten besetzt werden. Zur Zeit gilt neben der Notlage internationaler Tragweite wegen Corona seit 2020 auch eine Notlage wegen Polio-Ausbrüchen (seit 2014).
Abgeschlossene Notlagen waren der Ausbruch der Schweinegrippe H1N1 (2010), des Zika-Virus (2016) und von Ebola (2014-2016 und 2019). Die WHO hatte seinerzeit auch Notfallausschüsse wegen Mers-CoV (2013-2015) und wegen Gelbfieber (2016) einberufen. Die dazu konsultierten Fachleute kamen aber nicht zu dem Schluss, dass eine Notlage internationaler Tragweite erklärt werden sollte.