Wegen langer Wartezeiten für britische Fährpassagiere ist ein Streit zwischen Großbritannien und Frankreich entbrannt. Die britische Außenministerin Liz Truss forderte Paris am Freitag auf, etwas gegen die "unannehmbaren" Verzögerungen im Hafen von Dover zu unternehmen. Auch der Hafenbetreiber gab den französischen Behörden die Schuld an langen Schlangen vor der Überfahrt nach Calais.
Truss bezeichnete die Lage in einer Erklärung als "völlig vermeidbar". Die Ministerin, die sich um die Nachfolge von Premierminister Boris Johnson bewirbt, forderte: "Wir brauchen Maßnahmen von Frankreich, um die Kapazitäten an der Grenze zu erhöhen, um weitere Störungen für britische Touristen zu begrenzen und um sicherzustellen, dass diese schreckliche Situation in Zukunft vermieden wird."
Mindestens sechs Stunden Wartezeit
"Das fehlende Personal an der französischen Grenze vermasselt den Beginn der Sommerferien", hieß es in einer Erklärung des Hafens in Dover. Die französische Seite verwies hingegen auf einen "unvorhersehbaren technischen Zwischenfall". Passagiere müssen sich in Dover einer Grenzkontrolle durch französische Beamte unterziehen, bevor sie eine Fähre nach Nordfrankreich besteigen können.
Der Fährenbetreiber P&O Ferries kündigte Wartezeiten von mindestens sechs Stunden für die eineinhalb Stunden dauernde Überfahrt zum französischen Calais an und empfahl, ausreichend Wasser und Lebensmittel mitzunehmen. Passagiere machten ihrem Ärger im Kurzbotschaftendienst Twitter Luft: "Ich habe die Fähre um 08.00 Uhr von Dover aus gebucht, und es herrscht ein totaler Stau. Ich habe mich in einer Stunde 50 Meter vorwärts bewegt", schrieb ein Nutzer. "Bei diesem Tempo brauche ich 34 Stunden, bis ich im Hafen ankomme."
Hafenverantwortliche in Dover mahnten, mögliche Reisepläne zum Schulende zu überdenken. In den meisten britischen Schulen fangen in dieser Woche die Sommerferien an, eine der verkehrsreichsten Zeiten für Überquerungen des Ärmelkanals.
"Unvorhersehbarer technischer Zwischenfall"
Hafendirektor Doug Bannister sprach im britischen Sender BBC von einer kritischen Lage und riet Reisenden mit Tickets für die Fähre nach Frankreich davon ab, sich auch nur zum Hafen zu begeben. "Der Hafen von Dover hat sich seit Monaten auf die Sommersaison vorbereitet. Wir sind sehr enttäuscht, dass die französische Seite nicht ausreichend besetzt ist", erklärten die Hafenbetreiber.
Auf französischer Seite versicherte Regionalpräfekt Georges-François Leclerc, dass "der Anstieg des Verkehrsaufkommens an diesem Wochenende selbstverständlich vorhergesehen und ein entsprechendes Aufgebot vorbereitet worden war". Er verwies jedoch auf einen "unvorhersehbaren technischen Zwischenfall im Kanaltunnel", der dafür gesorgt habe, dass die französische Grenzpolizei erst eine Stunde später als geplant voll einsatzfähig gewesen sei. Der Betreiber Eurotunnel wies diese Darstellung zurück.
Leclerc mahnte, dass "der reibungslose Ablauf im Hafen von Dover in der gemeinsamen Verantwortung einer Reihe von Akteuren liegt, darunter insbesondere der Reedereien, des Hafens von Dover und der britischen Behörden".