Eine Haftstrafe für Ghislaine Maxwell setzt einen vorläufigen Schlusspunkt hinter den Missbrauchsskandal um ihren Ex-Vertrauten und bestens vernetzten US-Multimillionär Jeffrey Epstein. Richterin Alison Nathan verurteilte die 60-Jährige am Dienstag in New York unter anderem wegen Menschenhandels mit Minderjährigen zu Missbrauchszwecken zu 20 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 750.000 Dollar (713.000 Euro) – sie nannte die Taten "entsetzlich" und "abscheulich".

Stellvertreterprozess

Damit geht eine Verhandlung gegen Maxwell zu Ende, die von vielen als Stellvertreterprozess für die Taten Epsteins gesehen wurde, der sich im Sommer 2019 offiziellen Angaben zufolge im Gefängnis das Leben genommen hatte. Der Fall hatte auch deshalb weltweit für Aufsehen gesorgt, weil der Unternehmer mit Prominenten wie den Ex-Präsidenten Bill Clinton und Donald Trump, dem Tech-Milliardär Bill Gates und dem britischen Prinzen Andrew bekannt war.

Während Andrew kürzlich einen Zivilprozess im Zusammenhang mit Epsteins Missbrauchsring abwenden konnte, sind weder gegen ihn noch gegen andere Prominente strafrechtliche Ermittlungen bekannt. Der Maxwell-Prozess wurde auch immer wieder in Verbindung mit den viel beachteten Anklagen der MeToo-Ära gegen Ex-Filmmogul Harvey Weinstein und die Schauspieler Bill Cosby und Kevin Spacey gebracht.

Strafe über dem Rahmen

Das von Richterin Nathan für Maxwell gewählte Strafmaß lag wegen der besonderen Schwere der Taten leicht über der gesetzlich vorgeschlagenen Rahmen-Richtlinie von bis zu 19 Jahren und 7 Monaten. Jedoch hatte die Staatsanwaltschaft weit über 30 Jahre gefordert – Maxwells Verteidigung dagegen unter 5. Anwältin Bobbi Sternheim kündigte an, dass ihre Mandantin in Berufung gehen werde.

Ghislaine Maxwell:  "Es ist das größte Bedauern meines Lebens, dass ich Jeffrey Epstein getroffen habe"
Ghislaine Maxwell: "Es ist das größte Bedauern meines Lebens, dass ich Jeffrey Epstein getroffen habe" © AP

Am letzten Tag des Prozesses standen sich dabei noch einmal Täterin und Opfer gegenüber. Maxwell ergriff dabei selbst das Wort und sagte, dass sie mit den missbrauchten Frauen fühle. Der Schmerz, den diese erfahren hätten, täte ihr leid – doch sie schob die Schuld vor allem ihrem Ex-Partner zu. "Es ist das größte Bedauern meines Lebens, dass ich Jeffrey Epstein getroffen habe", sagte sie. Die Verbindung zu ihm werde immer auf ihr lasten. Die Verteidigung hatte für eine deutlich mildere Haftstrafe von weniger als zehn Jahren plädiert.

"Undenkbare Dinge" – keine Reue

Zuvor hatten mehrere Opfer von Epstein und Maxwell gesprochen. "Zusammen haben Sie undenkbare Dinge getan", sagte eine der Frauen. Die Verurteilte habe keine Reue: "Sie ist nicht traurig und sie würde es wieder tun." Ein anderes Opfer berichtete von den schweren Folgen der Verbrechen, von psychischen Problemen und mehreren Selbstmordversuchen. Maxwell, deren Geschwister in der ersten Reihe im Zuschauerraum saßen, nahm die Aussagen äußerlich eher ungerührt hin, während einige im Gericht Tränen in den Augen hatten. Auffällig oft griff Maxwell zu einem Becher, aus dem sie trank.

Ring zu sexuellem Missbrauch junger Mädchen

Maxwell war bereits im Dezember von einer New Yorker Jury schuldig gesprochen worden. Sie galt als rechte Hand Epsteins und spielte eine zentrale Rolle beim Aufbau eines Rings zum sexuellen Missbrauch von Mädchen. Maxwell hatte angekündigt, in Berufung zu gehen. Richterin Nathan betonte am Dienstag, dass Maxwell sich zwar mitfühlend für die Opfer geäußert habe, jedoch eine "mangelnde Übernahme von Verantwortung" für die Taten zeige.

Jahrzehntelang soll der Missbrauch zahlreicher Minderjähriger auf Epsteins Anwesen in New York, Florida, Santa Fe und auf den Virgin Islands stattgefunden haben. Eine frühere Anklage gegen Epstein mündete in einen für den Unternehmer sehr vorteilhaften Deal, der ihn zum Symbol einer gesellschaftlichen Elite machte, die selbst mit Verbrechen durchkommt. Seine Beziehungen zu Prominenten und sein Tod führten zu zahlreichen Gerüchten und Verschwörungstheorien. US-Staatsanwalt Damian Williams sagte nach dem Richterspruch, das Urteil sende "eine starke Botschaft aus, dass niemand über dem Gesetz steht".

Maxwells Aufgabe beim systematischen Missbrauch durch Epstein war es der Anklage zufolge, das Vertrauen von Mädchen zu gewinnen und sie ihrem ehemaligen Partner – oft für sogenannte Massagen – zuzuführen. Sie ist die Tochter des legendären britischen Verlegers Robert Maxwell (1923–1991). Sie war Anfang der 1990er-Jahre nach New York gekommen, wo sie Epstein auf einer der zahlreichen Promi-Partys traf. Sie war zeitweise mit ihm liiert. Epsteins Umfeld beschrieb ihre Rolle in seinem Leben als eine Mischung aus Angestellter und bester Freundin.