Schön, dass Sie sich eigens für mich so in Schale geworfen haben!“: Lacher sind dem mit sonorer Stimme bedacht sprechenden „Grootmeester“ Chris Breedveld im Noordeinde-Palast in Den Haag gewiss, als er die kleine Journalistenrunde aus Österreich empfängt. Tatsächlich lud König Willem-Alexander zum offiziellen Amtssitz der niederländischen Monarchie, unweit des die politischen Entscheidungen im Land treffenden Parlaments.
Der „Großmeister“ des Königlichen Niederländischen Haushalts skizziert vorab die exakt festgelegte Rolle des niederländischen Königs, während der den Zuhörenden gereichte Kaffee langsam auf Zimmertemperatur abkühlt. Breedveld ist präzise, aber humorig – den nicht am Königshof Lebenden irritiert nur, dass Diener ihm beim Hinsetzen den Sessel nachschieben und beim Aufstehen nach hinten rücken: Das muss doch wirklich nicht sein.Ende Juni wird der 55-jährige König Österreich eine Visite abstatten und nach Wien und Graz kommen – vier Jahre nachdem ihn Bundespräsident Alexander Van der Bellen eingeladen hat. Der erste Besuch dieser Art aus Holland seit 1962. Im Moment aber interessiert die Runde die Frage, wie man „ihn“ anzusprechen habe. „’Eure Hoheit’ genügt“, sagt Breedveld und ergänzt: „Bleiben Sie locker, erfahrungsgemäß nimmt das Gespräch ohnehin seinen Lauf.“ Machen wir doch glatt, kein Grund für Nervosität.
Der Autor wähnt sich kurz wie ein Statist in der Netflix-Serie „The Crown“. Durch das Labyrinth aus Gängen, die mit einigen an die Kolonialzeit der Niederlande gemahnenden Ausstellungsstücken dekoriert sind, führen befrackte Bedienstete schließlich zum obersten. Dessen freundliches „Grüß Gott!“ und seine kräftig gereichte Hand machen klar: Willem-Alexander bewohnt zwar einen imposanten, aus der Zeit gefallen wirkenden Palast. Er scheint aber – so weit man das von einem König sagen kann – tatsächlich so hemdsärmelig und unverstellt zu sein, wie man es ihm nachsagt.
Was kann man einen König fragen?
Die Fragen sind handverlesen, die Zeit ist knapp – Notizblöcke und Bleistifte wurden wohl per Lineal auf den Plätzen platziert. Das servierte Teegebäck lässt man lieber am Teller, wer will vor dem König rumbröseln oder mit vollem Mund sitzen. Vermutlich hätte ihn auch das nicht gestört: Willem-Alexander, flankiert von Großmeister Breedveld und einem hochrangigen Vertreter des Presseamts der niederländischen Regierung, beherrscht auf lässige Art das Adelshandwerk: Ja, bilaterale Staatsbesuche seien als Zeichen der Verbundenheit unabdingbar. Zudem wolle er den Österreichern vorab erklären, warum von 27. bis 29. Juni niederländische Flaggen in ihrem Land zu sehen sein werden, so der seit einiger Zeit Bärtige augenzwinkernd. Gespräche des neutral zu sein habenden Königs mit ausländischen Journalisten sind rar, vor Staatsbesuchen aber Usus.
Private Fragen sind tabu, politische aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig. Themen gibt es trotzdem genug: Der König betont das herzliche Verhältnis der Niederlande zu Österreich, das auch wirtschaftliche Früchte trägt. Seine Familie urlaube bereits seit den 1950er-Jahren in Österreich – schließlich sei es einfach der schönste Ort zum Skifahren, streut der 55-Jährige vorab reichlich holländische Tulpen.
An Herausforderungen mangelt es den beiden Ländern – wie dem Rest der EU – nicht: Die Pandemie hat das Haus Europa noch lange nicht verlassen, da kam bereits der Krieg in der Ukraine und ließ Unzähligen keine andere Wahl, als zu flüchten. Die Klimakrise hat für einen beinahe zu einem Drittel unter dem Meeresspiegel liegenden Staat wie den Niederlanden ohnehin eine existenzielle Bedeutung.
Gegner der Monarchie sehen in ihr teuren Anachronismus, doch man gewinnt den Eindruck, hier auch mit einem Familienvater (Willem-Alexander hat drei Töchter, Anmerkung) mit wachem Blick zu sprechen. Die Umfragewerte für den 2013 Inthronisierten und seine Frau, Königin Máxima sind gut. Kritik wird kaum an ihren Personen angebracht, sondern – wie in anderen Monarchien auch – an dieser Institution selbst.
„Erwartet das Volk nicht gerade jetzt Stabilität, die aus dem „Paleis Noordeinde“ verströmt wird?“, lautet eine Frage: Willem-Alexander sieht Rolle und Aufgabe klar, schließlich habe Monarchie stets für Kontinuität gestanden. In einer verstörenden, zerklüfteten Epoche den sich danach sehnenden Bevölkerungsteilen noch Zusammenhalt vermitteln zu können, ist eine Adelung anderer Art.
Als die Runde über einen diskreten Ausgang den Palast verlässt und in einer belebten Fußgängerzone steht, bleibt dem Autor die Erfahrung, mit dem König gesprochen, aber auch die Vermutung, zugleich einen Menschen vor sich gehabt zu haben. Sonderbar beruhigend.
Thomas Golser (Den Haag)