Eine Reporterin des TV-Senders Al Jazeera ist während eines israelischen Militäreinsatzes im besetzten Westjordanland durch Schüsse getötet worden. Die israelische Armee berichtete, es habe ein heftiges Feuergefecht mit Dutzenden militanten Palästinensern während einer Razzia in einem Flüchtlingscamp in Jenin gegeben. Israelische Soldaten haben zudem nach palästinensischen Angaben bei Ramallah einen 18-Jährigen erschossen.
Der junge Mann sei ins Herz getroffen worden, teilte das Gesundheitsministerium in Ramallah am Mittwoch mit. Informationen zu den genauen Umständen gab es zunächst keine. Eine Armeesprecherin machte zunächst auch keine weiteren Angaben.
Tödliche Schüsse in den Kopf
Auch wie genau die bekannte Journalistin Shireen Abu Akleh in Jenin ums Leben kam, blieb am Mittwoch zunächst unklar. Möglicherweise sei die 51-Jährige von Kugeln der Palästinenser getroffen worden, hieß es. Das palästinensische Gesundheitsministerium hatte mitgeteilt, die Journalistin sei durch Schüsse tödlich am Kopf verletzt worden. Ein anderer Journalist der palästinensischen Zeitung "Al-Quds", der auch für Al Jazeera arbeitet, sei bei dem Vorfall ebenfalls angeschossen worden.
Al Jazeera warf Israel dagegen einen gezielten, kaltblütigen Mord vor. Auch der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas sprach von einem "Verbrechen der Hinrichtung".
Die Reporterin habe über die Razzia berichtet und dabei eine Weste mit der gut lesbaren Aufschrift "Presse" getragen, schrieb Al Jazeera. Die Palästinenserin aus Ost-Jerusalem war schon seit mehr als 20 Jahren für den katarischen Sender im Einsatz. Besonders in der arabischen Welt war sie für ihre Berichterstattung über den Nahost-Konflikt sehr bekannt. Der für den arabischen Raum zuständige ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary schrieb auf Facebook über Akleh: "Sie war für die arabische Welt das Gesicht der Berichterstattung aus den palästinensischen Gebieten."
Al Jazeera verurteilte die tödlichen Schüsse als "abscheuliches Verbrechen, dessen Ziel es war, die Medien an der Berichterstattung zu hindern". Der Sender warf der israelischen Regierung und der Armee vor, für den Tod der Reporterin verantwortlich zu sein. Er rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, das israelische Militär zur Verantwortung zu ziehen.
Der israelische Außenminister Yair Lapid bot den Palästinensern eine gemeinsame Untersuchung und Obduktion an. "Journalisten in Konfliktgebieten müssen geschützt werden. Und wir haben alle eine Verantwortung, die Wahrheit herauszufinden", sagte Lapid nach Angaben seines Büros.
Terrorwelle seit Ende März
Die israelische Armee teilte mit, Soldaten seien in Jenin im Einsatz gewesen, um Terrorverdächtige festzunehmen. Dutzende von bewaffneten Palästinensern hätten auf die Truppen geschossen. "Die Terroristen warfen auch Sprengsätze auf die Soldaten und gefährdeten ihr Leben." Die Soldaten hätten zurück in die Richtung gefeuert, aus der geschossen wurde, und es seien Treffer identifiziert worden.
"Die israelische Armee untersucht den Vorfall und die Möglichkeit, dass die Journalisten durch die bewaffneten Palästinenser getroffen wurden", hieß es weiter. Al Jazeera schrieb aber unter Berufung auf seinen Bürochef in Ramallah, Walid Omari, es habe von palästinensischer Seite gar keine Schüsse gegeben. Auch die Armee bot der palästinensischen Seite eine gemeinsame Untersuchung an.
Bei einer Terrorwelle sind seit Ende März in Israel 17 Menschen getötet worden, ein israelischer Wachmann im Westjordanland wurde außerdem von Palästinensern erschossen. Israels Armee verstärkte seit Beginn der Anschlagswelle ihre Einsätze im besetzten Westjordanland. Vor allem im Bereich der Stadt Jenin, die als Hochburg militanter Palästinenser gilt, kommt es bei solchen Militäreinsätzen immer wieder zu schweren Konfrontationen mit Einwohnern.
Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums sind seit Ende März mehr als 20 Palästinenser getötet worden. Mehrere Palästinenser wurden bei Militäreinsätzen getötet, aber auch bei ihren eigenen Anschlägen und Zusammenstößen mit der Armee. Israel hatte 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Die Palästinenser wollen die Gebiete dagegen für einen eigenen Staat Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.
Der tödliche Vorfall in Jenin könnte die wacklige israelische Regierung weiter in Bedrängnis bringen. Die arabische Raam-Partei verschob angesichts des Tods der Reporterin eine geplante Pressekonferenz, bei der sie verkünden wollte, ob sie die Regierung bei Abstimmungen im Parlament weiter unterstützen wird.
Die Opposition unter Führung des Ex-Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu will das Bündnis von Regierungschef Naftali Bennett, das im vergangenen Monat die Mehrheit verloren hatte, so schnell wie möglich stürzen. Raam verurteilte den Tod der Reporterin und forderte die Einrichtung einer internationalen Untersuchungskommission.