Wie züchtet man dem Zebra die Streifen weg? Was ebenso absurd wie ehrgeizig klingt, ist die Kernfrage bei einem Experiment in Südafrika, das nach jahrzehntelangen Zuchtversuchen vor seinem erfolgreichen Abschluss steht. "Wir haben mittlerweile einen Bestand von insgesamt 200 Tieren", sagt March Turnbull vom Quagga-Projekt. Quagga – das ist der Name einer ausgestorbenen Zebra-Unterart. Noch Ende des 17. Jahrhunderts zogen diese in großen Herden über Südafrikas Steppen.
Für die europäischen Siedler waren die wie eine Mischung aus Pferd und Zebra wirkenden Tiere aber nur unnütze Konkurrenten um Weideland und wurden ausgerottet. Das letzte Quagga starb 1883 in einem Amsterdamer Zoo. Doch gibt es nach den Zuchtversuchen nun wieder Quaggas? "Wir sind optimistischer denn je", sagt Turnbull, "dass wir auf dem Weg zum Projektziel einen wichtigen Durchbruch erzielt haben." Es sei erreicht, wenn eine Zuchtherde von rund 40 Tieren existiert, die wie Quaggas aussehen. Das sei heute bei etwa 20 Tieren der Fall, auch wenn die braune Farbe noch etwas schwach ausschaut.
Mit gezielten Kreuzungen von Zebras mit passendem Gen-Pool wurden ab dem Jahr 1987 Quagga-ähnliche Tiere gezüchtet. Das vorübergehend von Südafrikas Nationalparkbehörde unterstützte Projekt faszinierte viele, rief aber auch erregte Debatten und Widerspruch hervor. Wissenschaftler verfolgen das Projekt ebenso fasziniert wie irritiert. Die Naturparkbehörde SANParks etwa hatte sich auch unter Hinweis auf das Risiko einer Artenvermischung aus dem Projekt verabschiedet.
"Es ist sicherlich möglich, einem Zebra die Streifen "wegzuzüchten" – daraus entsteht dann allerdings kein Quagga, sondern lediglich ein streifenloses Zebra", meint auch der Afrika-Referent des World Wide Funds for Nature (WWF) Deutschland, Johannes Kirchgatter. Eine Züchtung nach optischen Gesichtspunkten mache aus Artenschutzsicht kaum Sinn, da sie mit dem ausgestorbenen Tier wenig zu tun: "Wenn man eine Ersatz-Art einführt, muss das wissenschaftlich gut begründet und begleitet werden, und dann geht es in erster Linie nicht ums Aussehen, sondern um die ökologische Funktion und Anpassung." Solche Aktionen könnten höchstens das Bewusstsein schärfen für die Unersetzlichkeit und Unwiederbringlichkeit von Arten.
Turnbull: "An der braunen Farbe müssen wir noch etwas arbeiten"
Auch Turnbull gibt zu: "Die Evolution wiederholt sich nicht." Deshalb nennt er die mittlerweile in der sechsten Generation zurückgezüchteten Tiere auch nicht Quagga, sondern Rau-Quagga: nach dem aus Deutschland stammenden Zoologen Reinhold Rau, der als geistiger Vater des Projekts gilt. Er hatte herausgefunden, dass die Quagga-DNA der des Burchell-Zebras zu sehr großen Teilen entspricht. "Dieser Mann hat recht behalten", meint Turnbull anerkennend.
Südafrikas Quagga-ähnliche Zebras sind heute aufgeteilt in mehrere Herden, von denen einige auch auf Wildfarmen der Westkap-Provinz um Kapstadt grasen. Denn viele Farmer – das gibt auch Turnbull zu – sehen durchaus auch finanzielle Aspekte in dem enormen touristischen Potenzial der weltweit einmaligen, Quagga-ähnlichen Zebras.
Insofern sind auch nur 105 Rau-Quaggas direkt beim Projekt angesiedelt – der Rest befindet sich bei privaten Züchtern. "Die Tiere beginnen jetzt wirklich wie Quaggas auszusehen – nur an der braunen Farbe müssen wir noch etwas arbeiten", sagt Turnbull, der das Ziel des Projekts so beschreibt: "Wir wollen ein Zebra züchten, das so weit wie möglich wie ein Quagga aussieht."
Warum die Quaggas keine Streifen hatten
Bleibt die Frage: Warum hatten Quaggas damals – anders als ihre Verwandten im Rest Afrikas – keine Streifen? Die Vermutungen kreisen um die Tsetsefliege: Für deren Augen sind Zebras mit Streifen quasi unsichtbar. Der Verlust der Streifen deutet daher also daraufhin, dass es diesen Schädling im Quagga-Biotop – Südafrikas Westkap-Provinz – kaum gab und die Streifen damit überflüssig waren.
Ralf E. Krüger/dpa