Eine Woche nach dem erschütternden Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und Freising richten sich die Augen auf Erzbischof Reinhard Marx. Der Kardinal nimmt zur Stunde in einer Pressekonferenz Stellung zu den Ergebnissen der Studie, die sein Bistum bei der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) in Auftrag gegeben hat. Marx und seinen Vorgängern, darunter auch der emeritierte Papst Benedikt XVI., werden schwere Verfehlungen vorgeworfen.
Die Kirche war für viele Menschen ein "Ort des Unheils", erklärte Kardinal Marx bei der Pressekonferenz. Außerdem sagte er: "Wer jetzt noch systemische Ursachen leugnet, hat die Herausforderung nicht verstanden." Jetzt gehe es um Aufarbeitung. Er entschuldigte sich bei den Opfern und sagte, er sei zutiefst beschämt. Es brauche auch eine "Erneuerung und Reform" der Kirche. Prävention, Aufarbeitung und Reform der Kirche, das seien die Gebote der Stunde. "Als Erzbischof trage ich Verantwortung für das Handeln des Erzbistums. Ich klebe nicht an meinem Amt", sagte Marx, sein Amtsverzicht im Vorjahr sei sehr ernst gemeint gewesen, Papst Franziskus habe anders entschieden.
"Ich bin bereit, auch weiterhin meinen Dienst zu tun, wenn das hilfreich ist für die weiteren Schritte, die für eine verlässlichere Aufarbeitung, eine noch stärkere Zuwendung zu den Betroffenen und für eine Reform der Kirche zu gehen sind", sagte Marx. Die Vertreter der Kirche müssten in Zukunft besser hinschauen und vor allem mehr auf die Betroffenen zugehen, betonte er als sein Fazit aus dem Gutachten.
497 Opfer
Die Studie geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus – und von einer weit größeren Dunkelziffer. Marx war bei der Vorstellung des Gutachtens am Donnerstag vergangener Woche nicht dabei und hatte danach nur eine kurze Stellungnahme abgegeben. „Ich bin erschüttert und beschämt“, sagte er vor einer Woche. Joseph Ratzinger, der spätere und mittlerweile emeritierte Papst Benedikt XVI., hatte eingeräumt, bei seinen Angaben für das Gutachten in einem Punkt nicht die Wahrheit gesagt zu haben – dies sei auf einen Fehler bei der „redaktionellen Bearbeitung“ seines Statements zurückzuführen.