Ist es für Sie ethisch vertretbar, dass wir Tiere als menschliche Organersatzteillager züchten?
ULRICH KÖRTNER: Ein großes Problem in der Transplantationsmedizin ist die Organknappheit. Menschliche Organe von Verstorbenen oder Lebendspenden reichen nicht, um den steigenden Bedarf zu decken. Die Verwendung tierischer Organe in der Transplantationsmedizin, die Xenotransplantation, ist ein Lösungsansatz. Dafür müssen Tiere genetisch dem menschlichen Körper angepasst werden, um Abstoßungen oder die Übertragung von Viren zu verhindern. Sofern diese Sicherheitsprobleme gelöst werden, habe ich keine ethischen Bedenken. Schon lange kommen Rinder- und Schweineinsulin bei der Behandlung von Diabetes zum Einsatz. Der Einsatz von Rinder- und Schweineherzklappen ist medizinischer Standard. Wer aus religiösen Gründen den Verzehr von Schweinen ablehnt, kann in der medizinischen Verwendung von Schweinegewebe ein Problem sehen. Aus christlicher Sicht bestehen diese Bedenken nicht.
Darf man Tiere einfach so für höhere Ziele opfern?
Wer Xenotransplantationen aus tierethischen Erwägungen ablehnt, muss konsequenterweise auch den Fleischkonsum und Tierversuche ablehnen. Es gibt Tierethiker, die jede Vernutzung von Tieren für menschliche Zwecke verwerfen. Ich teile diese Ansicht nicht, wohl aber die Forderung, die Rechte von Tieren zu stärken und mehr für das Wohl von Nutz- und Haustieren zu tun. Massentierhaltung lässt sich aus heutiger bioethischer Sicht nicht rechtfertigen. Für die Xenotransplantation gezüchteten Tiere haben vermutlich ein besseres Leben.
Sind die Ängste vor der Züchtung von Mensch-Tier-Wesen begründet?
Experimente, in denen menschliche Gene in tierische Eizellen eingeführt werden, um an dem dabei entstehenden embryonalen Gewebe zu forschen, dienen der Verbesserung von Kenntnissen über das Entstehen und die mögliche Therapie von Krankheiten. Es geht dabei nicht um die Züchtung von Zwitterwesen.
Wo verlaufen für Sie die Grenzen?
Unethisch wäre der Versuch, mit einem Embryo, der tierische und menschliche Anteile hat, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Es war auch unethisch, Tiere mit menschlichen Eigenschaften zu züchten, indem man menschliche Gene oder Gehirnteile in tierische Gehirne einpflanzt. Es werden aber auch in der herkömmlichen Tierzucht Grenzen überschritten, etwa durch die Überzüchtung bestimmter Hunderassen, die tierisches Leid verursachen.