Was bei uns Weihnachtskarpfen oder Weihnachtsgans sind, ist in Japan Fast-Food von "KFC". "Kentucky Fried Chicken", kurz KFC, ist eine US-amerikanische Fast-Food-Kette, die in ihren Kunden fast ausschließlich Geflügel serviert. Über 20.000 Restaurants, verstreut über den Globus, machen das Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Kentucky zu einem der größten Franchise-Betriebe weltweit. Dabei ist KFC auch in Japan aktiv, wo sogar eine weihnachtliche Tradition um das frittierte Hähnchenfleisch entstand.
Schätzungen aus dem Jahr 2016 zufolge wird in 3,6 Millionen japanischen Familien jedes Jahr zu Weihnachten Fast-Food von KFC aufgetischt. 2018 gab KFC Japan an, zwischen dem 20. und 25. Dezember 6,9 Milliarden Yen (rund 55,7 Millionen Euro) eingenommen zu haben. Es stellt sich die Frage: Wie entstand der Hype um das amerikanische Hendl?
Aus Marketing wurde Tradition
Was heute als eine landesweite Tradition bezeichnet werden kann, begann mit Takeshi Okawara, dem aufmerksamen Leiter des ersten Restaurants der Kette in der pazifischen Inselnation. Um den Absatz um Weihnachten anzukurbeln, vermarktete er für die Feiertage eine "Party Box", die 1974 in den nationalen Marketingplan mitaufgenommen wurde. Der Slogan: "Kurisumasu ni wa Kentakkii", was so viel heißt wie "Kentucky zu Weihnachten". Die Box wurde zum Phänomen, Okawara befördert. Von 1984 bis 2002 fungierte er als Präsident und Geschäftsführer von KFC Japan.
Laut Wirtschaftswissenschaftlern war die Kampagne deshalb so erfolgreich, weil sie eine Lücke füllte: Bis dahin hätte es noch keine wirkliche Weihnachtstradition in Japan gegeben, "dann kam KFC und sagte: Das solltet ihr an Weihnachten machen", erklärt der Marketing-Professor Joonas Rokka gegnüber der britischen BBC.
Lange Schlangen und Bestellen nur im Voraus
Und diese Empfehlung nahm die japanische Bevölkerung an. Heute ist es, entgegen der Natur von Fast-Food, für die Japaner gar nicht mehr so einfach, zu Weihnachten an das beliebte Hähnchen-Menü zu kommen. Denn in den Restaurants herrscht Hochbetrieb. In einigen Filialen liegt der Tagesumsatz um das Zehnfache über dem herkömmlichen. Vielerorts ist es notwendig, das Weihnachtsessen wochenlang im Voraus zu bestellen, für spontan entschlossene bleibt dann nur das stundenlange Anstellen in der Schlange.
Selbst das nehmen aber viele Japaner in Kauf:
"Wenn ich kein KFC-Hühnchen esse, verspüre ich nicht den Geist von Weihnachten", sagt ein junger Erwachsener dem Reporter-Team von der Nachrichtenagentur AFP. Das und die gesamte Geschichte zeigt, wie einflussreich - speziell weihnachtliche - Marketingkampagnen auf unser Leben sein können. Was an dieser Stelle natürlich nicht fehlen darf: die lieben Grüße an den Weihnachtsmann von Coca-Cola.
Simon Rothschedl