In den USA schwindet nach dem Durchzug einer ganzen Serie von Tornados durch mehrere Bundesstaaten die Hoffnung, noch Überlebende zu finden. Am Sonntag gaben die Behörden der betroffenen Regionen die Zahl der Todesopfer mit 94 an, doch der Gouverneur des schwer getroffenen Bundesstaates Kentucky warnte, dass die Spürhunde wohl weitere Leichen finden würden. Präsident Joe Biden sprach von "einer der schlimmsten Tornado-Serien in unserer Geschichte" und einer "Tragödie".
"Wir wissen noch nicht, wie viele Leben verloren gegangen sind und wie groß das Ausmaß des Schadens ist", sagte Biden. Er kündigte eine Reise in die betroffenen Gebiete an. "Die Verwüstung ist mit nichts zu vergleichen, was ich in meinem Leben gesehen habe", sagte Kentuckys Gouverneur, Andy Beshear. "Es fällt mir schwer, es in Worte zu fassen."
Von der Katastrophe betroffen waren auch die Staaten Arkansas, Illinois, Missouri, Mississippi und Tennessee. Biden sagte den sechs Bundesstaaten die Hilfe der Bundesbehörden zu. Insgesamt hatten in der Nacht zum Samstag laut US-Medienberichten etwa 30 Tornados gewütet.
Kleinstadt Mayfield besonders hart getroffen
In Kentucky wurde die Kleinstadt Mayfield von einem besonders heftigen Luftwirbel in Trümmer gelegt. Dutzende Menschen starben, als das Dach einer Kerzenfabrik einstürzte. Zum Zeitpunkt des Unglücks hatten laut Beshear in der Fabrik rund 110 Menschen gearbeitet. 40 von ihnen konnten demnach bis Samstag lebend geborgen werden. Es wäre "ein Wunder, wenn noch jemand lebend gefunden wird", sagte der Gouverneur.
"Es besteht immer Hoffnung", noch Überlebende zu finden, sagte Mayfields Bürgermeisterin Kathy O'Nan. "Wir hoffen auf ein Wunder." Der gewaltige Luftwirbel, der Mayfield zerstörte, bewegte sich nach Angaben der Behörden 320 Kilometer hinweg über die Erdoberfläche – dies ist eine der längsten verzeichneten Tornado-Strecken in den USA überhaupt.
Laut Beshear wurden in ganz Kentucky zunächst mehr als 80 Todesopfer gezählt. Doch sei zu befürchten, dass die Totenzahl in dem Staat noch auf über 100 steige. In den übrigen fünf Staaten wurden zunächst insgesamt 14 Todesopfer verzeichnet.
In Edwardsville im Bundesstaat Illinois prallte ein Tornado auf eine Amazon-Lagerhalle, als dort in der Nachtschicht Weihnachtsbestellungen bearbeitet wurden. Sechs Leichen wurden dort geborgen, 45 andere Mitarbeiter konnten nach Feuerwehrangaben in Sicherheit gebracht werden. Dutzende Mitarbeiter wurden noch vermisst. Amazon-Chef Jeff Bezos zeigte sich in einer Twitter-Botschaft "untröstlich" über die Todesfälle.
Der Leiter der Feuerwehr von Edwardsville, James Whiteford, sagte, der Einsatz ziele mittlerweile nicht mehr auf die Rettung von Menschen ab, sondern "nur noch auf die Bergung". Auch hier dürfte die Zahl der Todesopfer noch steigen.
Auch ein Pflegeheim in Arkansas wurde von einem Tornado getroffen, mindestens ein Heimbewohner in der Stadt Monette kam ums Leben.
Klimawandel spielt eine Rolle
Wissenschaftler warnen immer wieder davor, dass die Heftigkeit von Naturkatastrophen durch den Klimawandel zunimmt. Es sei bekannt, "dass alles intensiver wird, wenn sich das Klima erwärmt", sagte Biden. Welchen Einfluss dies genau auf diese Tornado-Serie gehabt habe, könne er aber nicht sagen.
Eine Kondolenzbotschaft erhielt Biden vom russischen Staatschef Wladimir Putin, mit dem er erst am Dienstag einen Videogipfel zur Ukraine-Krise abgehalten hatte. In dem Telegramm bekundete Putin laut Kreml sein "aufrichtiges Beileid" wegen des Tornado-Desasters. Papst Franziskus sagte, er bete "für die Opfer des Tornados, der Kentucky getroffen hat".
Cyril Julien/AFP