Der Titel dieser zwei Jahre dauernden Vorbereitung auf die Weltbischofssynode im Jahr 2023 ist sperrig: „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission“. Auch wenn man Partizipation durch Teilnahme ersetzt und Mission durch Sendung, klingt dieses Motto nicht viel einladender. Heute und am morgigen Sonntag wird dieser Diskussionsprozess von Papst Franziskus in Rom feierlich eröffnet.
Der Innsbrucker Pastoraltheologe Christian Bauer hat im Sommer in einem „Furche“-Artikel gemeint, dieser Papst handle wie ein kluger alter Schachspieler: „Er weiß, dass er nur wenige Jahre hat, und denkt jetzt schon an den übernächsten Zug.“ Papst Franziskus treffe nur wenige Entscheidungen, verändere aber den amtlichen Weg, auf dem diese zustande kommen.
Der synodale Weg, also dieses Miteinander-Vorangehen (vom griechischen synodos, der gemeinsame Weg), setzt voraus, dass der Bischof von Rom, Bischöfe, Priester und Laien g e m e i n s a m agieren. Und das ist leichter gefordert als getan.
Das Zweite Vatikanum ist zwar Geschichte, aber von dieser Geschichte bleibt die Erinnerung an eine Kirche, die offen für Reformen und bereit zur Selbstkritik war. Dieses Konzil war ein Versöhnungsangebot und eine tastende Kontaktsuche in der Gewissheit, eine helfende Botschaft anbieten zu können – auch einer säkularisierten Gesellschaft: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“
So beginnt das Konzilsdokument „Gaudium et spes“. Der damals von Papst Johannes XXIII. in die Debatte gebrachte Begriff des „Aggiornamento“ sollte das Bemühen um Verständnis und Anteilnahme kennzeichnen. Eine Annäherung, die von Kritikern als Anpassung missverstanden wurde, ebenso wie die Suche von Theologen nach zeitgemäßen Formen der Verkündigung. Im Wust von Verboten, Verurteilungen und Verwarnungen war die Gewissheit verloren gegangen, dass das Evangelium eine Frohbotschaft ist. Und dass das Christentum, wie der Fundamentaltheologe Eugen Biser das einmal ausdrückte, auch „eine Religion der Angstüberwindung“ ist.
Es geht hier nicht um nostalgische Schwärmerei, sondern aus aktuellem Anlass um den Versuch, herauszufinden, wie eine Kirche, die sich als Zeichen Gottes in der Welt versteht, in dieser total säkularisierten Gesellschaft noch ihren Platz finden kann: zwischen völliger Gleichgültigkeit, offener Feindseligkeit und einem Überangebot an Ersatzreligionen.
Umwälzende Veränderungen in der Gesellschaft verschonen auch Pfarren im ländlichen Raum nicht. Es ist nicht mehr überall selbstverständlich, dass die Kirche im Dorf bleibt, und der Priestermangel ist mit Pfarrzusammenlegungen allein nicht zu bewältigen. Der Begriff Volkskirche ist fragwürdig geworden. Darüber sollte die noch immer hohe Zahl von 4,91 Millionen Katholiken unter den fast 9 Millionen Österreichern nicht hinwegtäuschen. Es gibt nicht nur jedes Jahr eine beunruhigende Zahl von Kirchenaustritten (2019 waren es 67.583, 2020 etwas weniger: 58.500), bedenklich ist auch die stumme Abwendung ohne direkten Bruch. Zudem geht auch die Zahl der Taufen und der kirchlichen Trauungen deutlich zurück.
Die katholische Kirche muss sich damit abfinden, dass sie „von einer (de facto) unverlassbaren religiösen Schicksalsgemeinschaft zu einer von vielen Anbieterinnen auf dem Markt von Religion, Sinn und Lebensbewältigung“ geworden ist. So hat das der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher schon vor 15 Jahren formuliert.
Das Konzil, das 1965 endete, konnte nichts Abgeschlossenes sein, dazu war der Nachholbedarf zu groß. Das glaubten viele. Doch sie sollten sich irren. Die Kluft, die damals nicht entstand, aber deutlich erkennbar geworden ist, scheint sich indes vergrößert zu haben.
Die Positionen sind klar: Auf der einen Seite gibt es immer noch genug Gläubige, die sich in der Kirche und für die Kirche engagieren. Dazu gesellen sich Reformwillige, von denen aber viele frustriert sind, weil durch Gesprächsangebote immer wieder Hoffnungen geweckt und dann enttäuscht wurden.
Auf der anderen Seite haben sich die Beunruhigten formiert und gut etabliert. Sie fürchten um die Einheit der Gesamtkirche, beklagen einen Verlust an Spiritualität, sehen durch Reformen die Lehre gefährdet und argwöhnen, dass hinter jedem Veränderungsversuch eine gefährliche Abirrung lauert. Für letztere war das Konzil eigentlich eine Art Betriebsunfall, dessen Folgen durch systematische „Korrekturmaßnahmen“ unter den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. nachhaltig begrenzt werden sollten.
Schließlich haben die zahlreichen Missbrauchsskandale mit ihrer zum Teil widerwilligen Aufarbeitung das Vertrauen in die Kirche tief erschüttert und innerkirchlich in die lange Phase eines lähmenden religiösen Defätismus geführt.
Die Initiative des Papstes kommt überraschend und stört einen Scheinfrieden. Bei den latent Beunruhigten blinken Warnlichter, aber Unsicherheiten und Zurückhaltung gibt es auch auf der anderen Seite. Dazu kommt bei manchen Verantwortlichen, die neue Zwietracht fürchten, eine Scheu vor allzu intensiver und unverblümt offener Debatte. So schwankt die Stimmung zwischen Bereitschaft zum Engagement und vorsichtigem Abwarten.
Die „Katholische Aktion“ zum Beispiel wurde noch im Sommer mit der Vorbereitung für die Sammlung von Anregungen, Ideen und Vorschlägen aktiv. Bischof Wilhelm Krautwaschl wünscht sich eine möglichst breite Beteiligung und setzt ein positives Signal: Das nächste Gespräch mit Vertretern der Theologischen Fakultät der Grazer Universität, das der Bischof gemeinsam mit seinem Kärntner Amtsbruder Josef Marketz führen wird, ist diesem Thema gewidmet. Der Termin ist bereits vereinbart: der 4. November.
„Zuhören“ sollen die Bischöfe in dieser ersten Phase des Prozesses, eingehen auf Stimmungen, Wünsche und Kritik. Doch nicht nur die Katholiken sind aufgerufen – auch die Gläubigen anderer Konfessionen und „Fernstehende“.
Christian Bauer interpretiert dieses Vorhaben sehr optimistisch: als Anstoß für weniger Klerikalismus. Er erhofft sich einen Akt der Selbstbefreiung zum Miteinander. Und in einem offenen Diskurs könnten auch innerkirchliche Konflikte, wie Machtstrukturen, Priesteramt oder Sexualmoral, in Angriff genommen werden, meint er.
Auch der renommierte Religionssoziologe und Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner sieht in einer Synodalisierung der katholischen Kirche „eine epochale Reformchance“ und begründet das damit, dass der ererbte Zentralismus zu einer fatalen Stagnation geführt habe, weg vom Menschen und weg vom Evangelium: „Eine synodale Kirche ist nicht nur Gott, sondern auch den Menschen näher. Und darin liegt die Chance. Vor allem für die Welt von heute.“
Papst Franziskus, der sich mit seinem Reformkurs in der Kurie einige erbitterte Feinde geschaffen hat, möchte offensichtlich die Weltbischofssynoden zu ständigen Foren der Beteiligung an der päpstlichen Regierung ausbauen. Das wäre auch für Bischöfe eine Chance, die Möglichkeiten ihres Amtes in ihrem Wirkungsbereich etwas eingehender zu erkunden.
Kurt Wimmer