Die ganze Nacht war Nektarios Farmakis auf den Beinen. Der Gouverneur der Region Westgriechenland half bei der Koordinierung der Brandbekämpfung in der Umgebung des antiken Olympia auf der Halbinsel Peloponnes. Als am Mittwochabend eine Flammenfront auf die antiken Stätte zurollte, weckte das bei den Menschen böse Erinnerungen an den Sommer 2007. Damals verwüstete ein Feuersturm ihre Wälder. Wenige Orte sind den Griechen so heilig Olympia, wo in der Antike alle vier Jahre die Olympischen Spiele ausgetragen wurden. Diesmal gelang es den Feuerwehren, ein Übergreifen der Flammen auf den antiken Bezirk zu verhindern. „Die Stätte ist vorerst gerettet“, konnte Gouverneur Farmakis am Donnerstag melden.

Einstweilen also Entwarnung für die antike Stätte, das Museum von Olympia mit seinen unschätzbaren antiken Exponaten und die Olympische Akademie. Aber gelöscht waren die Feuer nicht. In der Umgebung Olympias mussten am Donnerstag weitere Dörfer evakuiert werden. „Die Bedingungen sind extrem, sehr extrem“, sagte Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis, der aus Athen nach Olympia geeilt war.

Athen

Auch das Ausmaß der Brände im Norden Athens wird immer größer, es kam zu gröberen Stromausfällen. Am Freitagvormittag entwickelten sich regelrechte Feuerstürme sowie weitere Flächenbrände, wie das griechische Staatsfernsehen berichtete. Vor Gefahren wegen der Luftverschmutzung warnte die Chefin der Pneumologischen Klinik des Athener Krankenhauses Sotiria, Nina Gaga. "Gehen Sie nicht aus dem Haus", warnte sie. Normale Schutzmasken gegen Corona helfen nicht. Wer ausgehe, müsse sich mit einer Maske vom Typ P95 und höher schützen, sagte die Ärztin.

Entlang der zentralen Autobahn Griechenlands von Athen ins nördliche Thessaloniki seien etliche Lagerhallen und Industriebetriebe in Brand geraten, es komme zu zahlreichen Explosionen.

Die griechische Regierung forderte die Bewohner der Orte Malakasa und Sfendali per Warn-SMS auf, die Gegend zu verlassen. Auch für den weiter nördlich gelegenen Ort Oropos wurde die Evakuierung angekündigt. Die betroffene Region liegt rund 25 Kilometer von der griechischen Hauptstadt entfernt.

Aufnahme aus einem Passagierflugzeug: Die Brände in der Nähe von Sparta
Aufnahme aus einem Passagierflugzeug: Die Brände in der Nähe von Sparta © Tim Torner

Euböa

Derweil kämpften im Nordwesten der Insel Euböa die Feuerwehren gegen einen Waldbrand, der drei Tage zuvor ausgebrochen war und sich immer weiter ausbreitet. Mehrere Dörfer wurden evakuiert. In der vom Feuer bedrohten Ortschaft Chronia liefen Retter des Zivilschutzes am Donnerstag von Haus zu Haus und brachen verschlossene Wohnungstüren auf, um sicherzustellen, dass keine hilflosen Menschen zurückgelassen wurden. In einer dramatischen Rettungsaktion nahmen am Abend zuvor Fischerboote und Schiffe der Küstenwache etwa 100 Menschen am Strand der Ortschaft Rovies auf und brachten sie übers Meer in Sicherheit. Die Menschen hatten sich an die Küste geflüchtet, als die Flammen ihren Ort überrollten und alle anderen Fluchtwege abgeschnitten waren.

An der Brandbekämpfung in Griechenland beteiligen sich auch die Streitkräfte mit 500 Soldaten, Löschfahrzeugen und Tanklastern. Planierraupen der Armee schlagen Brandschneisen, 39 Hubschrauber, Flugzeuge und unbemannte Drohnen der Streitkräfte werden zur Beobachtung der Wälder und zur Koordinierung der Löscharbeiten eingesetzt. Schweden schickte zwei Löschflugzeuge nach Griechenland, Frankreich hilft mit 81 Feuerwehrleuten.

Auch in der Türkei bleibt es dramatisch

Auch in der Türkei bleibt die Lage dramatisch. Die staatliche Forstbehörde meldete am Donnerstag 180 Brände. Davon waren 15 außer Kontrolle. Staatschef Recep Tayyip Erdogan spricht von den „größten Bränden in der Geschichte des Landes“. Zugleich versuchen seine Behörden, das wahre Ausmaß der Katastrophe zu vertuschen.

Die türkische Medienaufsicht RTÜK drohte am Dienstag TV-Sendern mit Strafen, wenn sie weiterhin Bilder brennender Wälder und fliehender Menschen zeigen. Die Justiz ermittelt gegen mehrere Journalisten und Nutzer sozialer Medien, weil sie angeblich „Sorge, Angst und Panik“ verbreiten. Oppositionspolitiker kritisieren den schlechten Zustand der Feuerwehren, die nicht über ein einziges einsatzfähiges Löschflugzeug verfügen. Aber Erdogan verdächtigt die kurdische Terrororganisation PKK als Brandstifter.

Für die meisten Politiker und Fachleute in Griechenland steht dagegen fest: Die Extremhitze und die Feuerstürme stehen in Zusammenhang mit dem Klimawandel. Der griechische Wetterdienst warnte am Freitag vor schlechter Luftqualität und hoher Feinstaubbelastung. Am Donnerstag aufgenommene Sattelitenbilder zeigen die riesigen Rauchwolken über dem östlichen Mittelmeer. Eine Rauchfahne zieht von Sizilien über Süditalien und die Adria nach Montenegro, Bosnien Herzegowina und Kroatien. Weitere Qualmwolken reichen von Griechenland über die Ägäis nach Süden. Die größte Rauchentwicklung kommt von den Bränden in der Südtürkei. Die Wolken ziehen über das gesamte östliche Mittelmeer bis zur nordafrikanischen Küste.

In Athen verursachte die Rauchglocke vielen Menschen Atembeschwerden. Auch wenn der Wind den Qualm bald vertreibt: Die Katastrophe ist noch nicht ausgestanden. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis spricht von “schweren Zeiten“, die dem Land bevorstehen. Nikos Chardalias, der Chef der Zivilschutzbehörde, warnt: „Die Bedingungen in den nächsten Tagen und Wochen werden noch schwieriger sein als heute“.

Hitzerekord

Bereits Ende Juni stiegen die Temperaturen in Griechenland tagelang über 40 Grad, jetzt erreichten sie örtlich sogar 46 Grad. Sie näherten sich damit dem europäischen Hitzerekord, der im Juli 1977 mit 48 Grad in Eleusis bei Athen registriert wurde. Am Wochenende sollen die Temperaturen zwar etwas fallen – Athen erwartet dann Höchstwerte von „nur“ 37 Grad. Aber bereits ab Montag rechnen die Meteorologen mit einem neuen Temperaturanstieg.

Der Klimaforscher Christos Zerefos erwartet noch für diesen Monat eine dritte Hitzewelle. Die heißen Meltemi-Winde, die im August meist über Griechenland wehen, könnten dann neue Feuerstürme anfachen. Auch Professor Efthymios Lekkas, Chef der Erdbebenschutzbehörde OASP und einer der führenden Katastrophenexperten des Landes, erwartet für die kommenden Wochen einen „Dauer-Alptraum“.

Im Westen und Norden Griechenlands rechnen die Meteorologen bereits für diesen Freitag mit einem massiven Wetterumschwung: Nach der Extremhitze der vergangenen Wochen erwartet man schwere Gewitter. Der Herbst wird auch anderen Regionen Griechenlands die für diese Jahreszeit üblichen Wolkenbrüche bringen. In den Brandgebieten drohen dann Überschwemmungen, weil es keine Bäume mehr gibt, die den Regen aufnehmen und das Erdreich schützen könnten.