Die Infektionskurve auf Mallorca steigt immer weiter. Das deutsche Robert Koch-Institut erklärte die Insel inzwischen zusammen mit ganz Spanien zum Hochinzidenzgebiet. Doch viele Urlauber scheint dies nicht zu schrecken. Die großen Touristikkonzerne melden zunächst keine Stornierungswelle. Der Tenor bei Reisenden ist bisher: „Wir kommen trotzdem.“ Obwohl stark steigende Preise bei kurzfristigen Mallorca-Rückflügen nach Deutschland signalisieren, dass doch manche Feriengäste vorzeitig die Koffer packen und den Heimflug antreten, um eine Quarantäne zu vermeiden.
Es wird gefeiert
Auch in der bekanntesten deutschen Touristenbastion an der Playa de Palma ging das Treiben ungetrübt weiter: Dort feierten in der Nacht zum Sonntag wieder tausende junge Menschen, darunter viele Deutsche, mit Alkohol und ohne Abstand oder Maske. Eigentlich ist seit diesem Wochenende auf Mallorca ein nächtliches Versammlungsverbot in Kraft. Und zwar, weil diese wilden Open-Air-Partys auf der Promenade und in den umliegenden Straßen als gefährliche Infektionshotspots gelten. Doch angesichts der Massen auf den Straßen war die Polizei weitgehend machtlos.
„Für das Verhalten der zum beträchtlichen Teil deutschen Partyurlauber möchte man sich fremdschämen“, überschrieb die „Mallorca Zeitung“ einen Meinungsartikel zu den nicht endenden Auswüchsen. „Als gebe es keine Corona-Pandemie“, schimpfte das Blatt entsetzt, das als Medienstimme der deutschen Mallorca-Community gilt. „Sie trinken – obwohl das längst verboten ist – Alkohol in der Öffentlichkeit in rauen Mengen, liegen sich in den Armen und haben in ihrer feucht-fröhlichen Euphorie von Corona-Regeln wie Abstand und Maske offensichtlich nie etwas gehört.“
Die Zeitung erinnert daran, dass die Insel vom Tourismus lebt und ein erneutes vorzeitiges Ende der Saison wie im vergangenen Jahr viele Familien in die Armut stürzen würde. „Es kann nicht sein, dass sich ein Großteil der Menschen auf Mallorca monatelang diszipliniert an alle Corona-Auflagen hält, um irgendwie die Tourismussaison 2021 zu retten. Und dass dann eine winzige Minderheit, noch dazu eine derart rücksichtslose, diese massiven Anstrengungen der Bevölkerung mit Füßen tritt.“
Fünf Tage Quarantäne
Das Gros der übrigen deutschen Mallorcaurlauber nimmt die Berliner Höherstufung der Insel vom Risikogebiet zum Hochinzidenzgebiet und die damit verbundene Reisewarnung bisher ebenfalls mit erstaunlicher Fassung hin. Und das, obwohl diese Verschärfung eine fünftägige Quarantänepflicht für nichtgeimpfte Rückkehrer mit sich bringt – was auch für Kinder gilt. „Viele Urlauber reagieren gelassen“, stellt die Mallorca Zeitung bei einer spontanen Umfrage auf der Straße fest.
Die meisten Kommentare von Reisenden in einschlägigen Mallorca-Foren bestätigen diesen Eindruck weitgehend. „Wir kommen auf alle Fälle, solange Mallorca nicht noch weiter höhergestuft wird. Wir sind beide vollständig geimpft“, schreibt eine Inselfreundin namens Sabine. „Ich fliege im August und freue mich. Ich lasse mir den Urlaub nicht versauen“, verkündet eine andere Reisende, die sich als Anita vorstellt. Aber es gibt auch Absagen: „Gut, dass wir storniert haben. Das bringt doch nichts, wenn man mit Kindern hinterher in Quarantäne muss.“
Kein Reiseverbot
Bei TUI, Europas größtem Urlaubsveranstalter, sieht man nach der Verschärfung der deutschen Reisehinweise keinen Grund zur Panik: „Eine Reisewarnung ist kein Reiseverbot“, erklärt der Konzern auf seiner Webseite. „Darum können alle Spanienreisen mit Anreise bis 15.08.2021 auf Wunsch angetreten werden. Alternativ können Sie Ihre Reise kostenfrei umbuchen oder stornieren.“
Die mallorquinischen Hoteliers beten unterdessen, dass die Stimmung nicht doch noch weiter kippt. Die Vizechefin des Hotelverbandes FEHM, María José Aguiló, räumt nach der deutschen Reisewarnung ein: „Das ist eine schlechte Nachricht.“ Und sie befürchtet, dass die Buchungen noch weiter sinken könnten. Bereits vor der Berliner Entscheidung hatten die Hotelbetriebe einen Rückgang der Reservierungen um 30 Prozent gemeldet, was sie auf die steigenden Coronazahlen und die wachsende Verunsicherung der Touristen zurückführen.
Urlaubspläne gefährdet
„Die Hochstufung Spaniens zum Hochinzidenzgebiet mitten in der Ferienzeit macht zahlreichen Reisenden und insbesondere vielen Familien mit Kindern die Urlaubspläne zunichte“, glaubt Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV). Er schätzt, dass sich derzeit rund 400.000 deutsche Urlauber in Spanien befinden. Davon halten sich Zehntausende auf Mallorca auf, dem meistbesuchten Ferienziel der Deutschen in Spanien.
Die 7-Tage-Inzidenz lag auf Mallorca nach Angaben der örtlichen Behörden zuletzt bei 382 Fällen pro 100.000 Einwohner – in Deutschland war die Vergleichszahl bei etwa über 13, in Österreich bei 28,2. Der mittlere Wert für die Baleareninseln, zu denen auch Ibiza, Menorca und Formentera gehören, betrug sogar 426.
Hunderte Touristen infizierten sich bereits im Urlaub. Die Quarantänehotels auf den Balearen sind voll. Auch nach der Rückkehr in die Heimat wird eine wachsende Zahl von Urlaubern positiv getestet. Das Berliner Robert Koch-Institutes (RKI) vermutet inzwischen bei 10 Prozent aller in Deutschland registrierten Infektionsfällen eine Ansteckung im Ausland. Infektionsland Nummer ist dabei laut RKI mit großem Abstand Spanien.