Für einen kurzen Moment, um kurz nach acht Uhr morgens Ortszeit, war Elon Musk der reichste Mensch auf dem Planeten. Denn vor Amazon-Gründer Jeff Bezos, mit einem Vermögen von rund 177 Milliarden Dollar die wohlhabendste Person der Welt, hatte für wenige Minuten die Erde verlassen. Die Rakete New Shepard seines Raumfahrtunternehmens Blue Origin war um 8:12 Uhr in der Nähe von Van Horn aus der texanischen Wüste abgehoben und hatte Bezos gemeinsam mit drei anderen Passagieren rund 100 Kilometer in die Höhe geschossen – und damit bis an die sogenannte Kármán-Linie, die die Erdatmosphäre vom Weltraum trennt. "Der beste Tag aller Zeiten", jubelte Bezos.
Es war ein kurzer Ausflug an die Grenze des Alls. Breits zehn Minuten später landete die Kapsel mit den Mitreisenden an Bord wieder auf dem Boden. Als kurz darauf die Türen geöffnet wurden, erschien ein strahlender Bezos zwischen den feiernden Mitarbeitern – in blauer Uniform, mit Cowboyhut auf dem Kopf. Kurz darauf öffnete der frisch gebackene Astronaut eine Champagnerflasche. Denn der erste bemannte Flug seines Unternehmens war ein voller Erfolg.
Das Geschäft mit dem Weltraumtourismus
Bezos ist nicht der einzige Milliardär, der an seinem privaten Raumfahrtprogramm arbeitet. Bereits vor wenigen Tagen hob Virgin-Galactic-Gründer Richard Branson von einer Basis im Bundesstaat New Mexico ab und ließ sich von seinem Raumschiff SpaceShipTwo rund 80 Kilometer in die Höhe tragen. Im September plant zudem Tesla-Gründer Elon MusksFirma SpaceX einen bemannten Flug für Privatpersonen, der bis in die Erdumlaufbahn vorstoßen soll.
Alle drei Firmen engagieren sich damit im Weltraumtourismus. Sie wollen den Superreichen das Erlebnis ermöglichen, die Erdoberfläche zu verlassen und die Welt von oben zu sehen. Das lassen sich die Kunden einiges kosten. Ein Platz an Bord der New Shepard wurde für 28 Millionen Dollar versteigert. Der Käufer nahm schlussendlich nicht am Flug teil, angeblich wegen Terminschwierigkeiten. Reservierungen für einen Platz in Bransons Raketen waren zuletzt preisgünstiger, gingen für einige hunderttausend Dollar über den Ladentisch. Eine Reise mit SpaceX wiederum kann richtig ins Geld gehen. Tickets für einen Flug zur Internationalen Raumstation ISS sollen rund 55 Millionen Dollar kosten.
Doch es ist nicht das Geschäft mit Privatkunden, dass Bezos, Branson und Musk zur Raumfahrt gebracht hat. Es ist die Aussicht auf Regierungsaufträge. Weltweit flossen allein 2019 mehr als 420 Milliarden Dollar in die Industrie. Tendenz steigend. Laut einer Analyse der Bank Morgan Stanley soll der Markt bis 2040 auf eine Billion Dollar anwachsen.
Getrieben wird diese Entwicklung von der Konkurrenz, die sich die Großmächte der Erde mittlerweile auch im All machen. Die USA, China, Indien und Russland wollen ihren Präsenz im Weltraum etablieren oder ausbauen. Die Vereinigten Staaten richteten unter Ex-Präsident Donald Trump einen neuen Arm der Streitkräfte ein, der sich explizit um die Sphäre jenseits der Erde kümmern soll – die Space Force. Sein Nachfolger Joe Biden hält an dem Unterfangen fest.
Nächster Halt: Der Mond
Das bietet für die Weltraumunternehmen attraktive Möglichkeiten. Im März etwa unterzeichnete SpaceX einen Vertrag mit dem Pentagon über zwei Missionen, der allein mehr als 160 Millionen Dollar wert ist. Auch eine Mondmission soll das Unternehmen durchführen. Insgesamt konnte Musk in den vergangenen Jahren mehr als 50 umfangreiche Regierungsaufträge für SpaceX gewinnen – hauptsächlich vom Verteidigungsministerium und der Weltraumbehörde NASA. Fast drei Milliarden Dollar hat das Unternehmen damit verdient. Bezos‘ Blue Origin kann da noch nicht mithalten. Die 33 Regierungsverträge, die die Firma an Land ziehen konnte, waren insgesamt mit rund 496 Millionen Dollar dotiert.
Der erste bemannte Flug ins All soll der Firma nun den Schub geben, den sie braucht, um mit SpaceX konkurrieren zu können. Bezos hab bereits große Pläne. Genau wie SpaceX arbeitet sein Unternehmen an einer Rakete, die eine Mondlandung durchführen könnte. Auch eine Orbitalrakte ist in Arbeit, die weiter in All fliegen soll als New Shepard. Das neue „Space Race“ hat gerade erst begonnen.
Julian Heißler aus Washington D.C.