Der prominente russische Oppositionspolitiker Andrej Piwowarow ist bei der versuchten Ausreise nach Polen an Bord eines Flugzeugs festgenommen worden. Polizisten hätten die bereits rollende Maschine am Montagabend in St. Petersburg gestoppt, schrieb Piwowarow in seinem Telegram-Kanal. Die zuständige Ermittlungsbehörde erklärte am Dienstag, dem 39-Jährigen werde die Beteiligung an einer in Russland "unerwünschten Organisation" vorgeworfen.
Ihm drohen damit bis zu sechs Jahre Freiheitsentzug. Piwowarow hatte bis vor kurzem die kremlkritische Organisation "Offenes Russland" geleitet. Vor wenigen Tagen wurde die von dem im Ausland lebenden Kremlgegner Michail Chodorkowski unterstützte Gruppe in Russland zur "unerwünschten Organisation" erklärt und damit faktisch verboten. Unter dem staatlichen Druck hatte Piwowarow daraufhin die Auflösung bekannt gegeben.
"Völlige Gesetzlosigkeit"
Dass er nun trotzdem festgenommen wurde, bezeichnete er als "völlige Gesetzlosigkeit". Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einer "Hexenjagd" gegen "Offenes Russland" und forderte die sofortige Freilassung Piwowarows. Der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sprach von einem "fortschreitenden Muster schrumpfenden Platzes für Zivilgesellschaft, Opposition und kritische Stimmen" in Russland. Auch die EU fordere die Freilassung Piwowarows.
Der Politiker wurde am Dienstag in die Stadt Krasnodar etwa 1200 Kilometer südlich von Moskau gebracht. Piwowarows Anwältin erklärte die Verlegung mit mehreren Facebook-Beiträgen, die ihr Mandant vor rund einem Jahr von Krasnodar aus veröffentlicht habe. In einem von ihnen habe er sich etwa mit einer von der russischen Justiz verfolgten Oppositionspolitikerin solidarisiert.
Weitere Festnahme
Am Dienstagabend wurde außerdem der Moskauer Oppositionelle Dmitri Gudkow festgenommen. Zuvor hatte er schon von der Durchsuchung seiner Datscha berichtet. Auch die Wohnung eines Mitarbeiters sei durchsucht worden.
Vor rund einer Woche hatte sich die Konfrontation zwischen Russlands Nachbarland Belarus (Weißrussland) und der EU zugespitzt, nachdem der autoritäre Machthaber Alexander Lukaschenko ein Passagierflugzeug zur Landung gezwungen hatte, um einen seiner Gegner festnehmen zu lassen. Roman Protassewitsch und seine russische Freundin Sofia Sapega sitzen seitdem in Haft. Die EU und die USA erließen daraufhin Sanktionen gegen Belarus.
Am Dienstag wurde in Belarus ein Korrespondent der Deutschen Welle (DW) nach 20 Tagen Haft wieder freigelassen. Nach seiner Freilassung klagte Alexander Burakow laut DW-Mitteilung über unmenschliche Haftbedingungen. Zwei Mal pro Nacht sei er aufgeweckt worden und habe sich nackt ausziehen müssen. Außerdem habe er weder Kissen noch eine Decke bekommen und oft gefroren. Einen Hungerstreik habe er nach sieben Tagen wegen gesundheitlicher Probleme beenden müssen. Burakow war im Mai in der Stadt Mogiljow östlich der Hauptstadt Minsk festgenommen worden, als er über einen Prozess gegen Oppositionspolitiker berichten wollte.