Nur das Krächzen der Möwen stört im sonst so quirligen Hafen von Rovinj die merkwürdige Mittagstille. Mit Preisnachlässen buhlen die chicen Boutiquen zu Füßen des Grand Park Hotel vergeblich um Kunden. Gelangweilt starren die Verkäuferinnen auf Telefon- und Computerschirme. Trotz des strahlend blauen Mai-Himmels bleibt der Großteil der Liegen am Privatstrand des Nobelhotels Lone unberührt. Einsam zieht eine frühe Schwimmerin vor der Silhouette der Altstadt in der kalten Adria ihre Kreise.
So „ruhig und angenehm“ habe er das kroatische Touristenmekka noch nie erlebt, freut sich der serbische Familienvater Milos, der mit seinen beiden Söhnen durch die wie ausgestorben wirkende Fußgängerzone der Carrera-Straße zieht: „In unserer Ferienwohnung sind wir die ersten Gäste des Jahres. Normalerweise drängeln sich hier im Mai bereits die Touristen.“
Diese Regeln gelten
Wirtschaft schrumpfte um neun Prozent
Hell schlagen die Glocken vom ranken Turm der Heiligen-Eufemia-Kirche über die roten Dächer und bunten Fassaden der leergefegten Gassen der Altstadt. Vor der Pandemie war Rovinj mit vier Millionen Übernachtungen im Rekordjahr 2019 neben Dubrovnik das populärste Touristenziel im Adriastaat. Jede fünf Kuna wird in Kroatien mit dem Fremdenverkehr verdient. Corona hat den stark vom Tourismus abhängigen EU-Neuling denn auch besonders hart getroffen: Im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaft im Küstenstaat um 9 Prozent.
Landesweit ging die Zahl der Übernachtungen 2020 laut Angaben des nationalen Statistikamts DZS um 55,3 Prozent zurück. Rovinj zählte im ersten Corona-Jahr trotz der Halbierung der Gästezahlen immerhin noch 1,8 Millionen Übernachtungen. Doch auch die Gastronomen in Istriens malerischer Küstenperle blicken nach einer sehr schwachen Vorsaison dem Sommer nicht nur hoffnungsvoll, sondern auch mit Sorgen entgegen.
Die Ungewissheit nagt
Der Erwartung höherer Gästezahlen steht die Ungewissheit schwer kalkulierbarer Epidemie-Faktoren gegenüber. Im letzten Sommer war der Andrang zunächst unerwartet groß, bevor steil steigende Infektionszahlen zum Ende der Saison viele Besucher zur vorzeitigen Abreise zwangen.
In diesem Jahr hat Daniela Poretti erst vier Mal Gäste in ihren beiden Ferienwohnungen begrüßt. Dennoch geht die Besitzerin der „Central Town Apartments“ mit vorsichtigem Optimismus in die zweite Corona-Saison. Die Reservierungen für Juni und Juli seien „gut“, versichert die Kroatin: „Jetzt müssen die Leute nur noch kommen können.“
Voranmeldung ist nötig
Viele Barrieren legt das krisengebeutelte Kroatien anreisewilligen Gästen trotz der nötigen Voranmeldung über das „Enter-Croatia“-Portal des Innenministeriums (https://entercroatia.mup.hr) nicht in den Weg. Auf den grünen EU-Impfpass wartet der EU-Neuling keineswegs. Ein aktueller Antigen-Schnelltest ermöglicht die Einreise genauso wie der Nachweis für einen PCR-Test, für eine bereits ausgestandene Corona-Infektion oder für eine Impfung - egal welcher: auch in der EU noch nicht zugelassene Impfstoffe wie das russische Sputnik- oder chinesische Sinopharm-Serum werden von Kroatiens Grenzern schon jetzt als Sesam-Öffne-Dich für den Adria-Urlaub akzeptiert.
Ein Junge lässt geschäftig Kieselsteine über das Wasser springen. Langsam beginnt sich die rötlich schimmernde Abendsonne über die dunkel glitzernde See zu senken. „Der Sommer wird gut. Ganz Europa wartet doch schon ungeduldig darauf, endlich wieder zu uns kommen zu können“, verkündet der Kellner in der Bar Larmour hoffnungsfroh, während er auf der Terrasse den letzten Gästen Aperol Spritz zum Sonnenuntergang serviert.
An Ostern seien bereits viele „Purgeri“ – Zagreber – aus der Hauptstadt angereist und Anfang Mai hätten viele Belgrader die serbisch-orthodoxen Osterferien im Nachbarland zu einem Kurzurlaub in Rovinj genutzt, so der redselige Mundschenk. Doch noch ist der Großparkplatz im Norden der Altstadt nur spärlich gefüllt und ist das sonst allgegenwärtige Deutsch in den Cafés an der Riva nur gelegentlich zu hören.
Sehnsüchtig harren die Besitzer von Ferienwohnungen, Souvenirläden und Restaurants auf mehr Besucher – und auf Umsatz. Es ist nicht nur die epidemiologische Lage in den Herkunftsländer der Touristen, sondern auch die in Kroatien selbst, die Reisewillige noch zögern und abwarten lässt.
Fremdenverkehr kam beinahe zu liegen
Kroatiens dritte, erst allmählich abklingende Infektionswelle hat Istrien zwar weit weniger hart als andere Landesteile getroffen. Doch die Verhängung der Polizeistunde und Schließung der Gaststätten brachten in den letzten Monaten auch den Fremdenverkehr in Rovinj zeitweise fast vollständig zum Erliegen.
„Die kleinen Cafés mussten zumachen, aber die großen Hotels blieben offen“, berichtet kopfschüttelnd der Kellner im „Larmour“: „Ich frage mich, ob das Theater überhaupt nötig ist. Die Leute sitzen doch ohnehin alle draußen auf der Terrasse. Und wir desinfizieren pausenlos, spülen Gläser und Tassen sofort.“
Als entscheidend für den Erfolg der zweiten Corona-Saison haben Kroatiens Tourismustrategen indes das persönliche Sicherheitsempfinden der Besucher ausgemacht. „Stay safe in Croatia“ nennt sich das Projekt, mit dem sie für einen „sicheren“ Urlaub im Adriastaat werben: Bis zum Beginn der Sommersaison sollen dafür die Beschäftigten im Tourismus-Sektor bevorzugt geimpft werden.
Werbung für Impfung
Mit einer halbseitigen Anzeige in der Zeitung „Glas Istre“ fordert der Tourismusverband in Istrien Branchenangehörige dazu auf, sich für die Impfung registrieren zu lassen: „Für sichere Bedingungen für unsere Gäste und Mitarbeiter ist die Impfung aller Beschäftigten von enormer Bedeutung.“
Doch noch hinkt Kroatiens Impfrate der Herkunftsländer der Besucher weit hinterher. Nur 21,49 Prozent (Stand: 9.Mai) sind bisher geimpft: Das lange sehr träge Impftempo liegt deutlich unter dem EU-Durchschnitt (27,92 Prozent) und weit hinter dem des wichtigsten Gästestaats Deutschland (32,07 Prozent).
Ja, die Impfungen seien stotternd angelaufen, aber „nun zügig in Gang gekommen“, versichert Apartment-Vermieterin Poretti. Sie sei überzeugt, dass das Jahr noch eine „gute Saison“ für Rovinj bringen werde: „Wir haben ganz andere Zeiten mitgemacht - und werden auch Corona überleben.“
unserem Korrespondenten Thomas Roser aus Rovinj