Eine internationale Studie, an der sich unter anderem die Schweizer Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) beteiligt hatte, kam nun zum Schluss: Die Sommerdürren, die Europa von 2015 bis 2019 erlebt hat, waren gravierender als in zwei Jahrtausenden davor. "Wir sind uns alle der Häufung von außergewöhnlich heißen und trockenen Sommern bewusst, die wir in den letzten Jahren hatten. Aber wir brauchten präzise Rekonstruktionen der historischen Bedingungen, um zu sehen, wie diese jüngsten Extreme im Vergleich zu früheren Jahren ausfallen", fasst Ulf Büntgen von der Universität von Cambridge als Erstautor der hydroklimatischen Untersuchung zusammen. Für ihre Studie nahmen Büntgen und Kollegen mehr als 27.000 Messungen an Baumringen von 147 Eichen vor, die stolze 2100 Jahre (75 v. Chr. - 2018) abdeckten.
Experten mit verschiedenen Ansichten
An den Erkenntnissen daraus scheiden sich derzeit Geister: Dass der europäische Kontinent die schlimmste Trockenperiode der letzten zwei Jahrtausende verzeichnet, will Klaus Haslinger, Experte für Dürre/Hydrologie in der Abteilung Klimaforschung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), so nicht stehen lassen. Für den Experten bestehen natürlich grundsätzlich keine Zweifel am Klimawandel - diesen macht er eindeutig am mittleren Temperaturanstieg, an vermehrten Hitzewellen im Sommer ("Das ist absolut robust und signifikant!"), an einer Abnahme der Schneedeckendauer, an längeren Vegetationsperioden und an einer höheren Wahrscheinlichkeit für starke Niederschläge fest.
"Grundsätzlich ist diese neue Methode der Baumring-Auswertung faszinierend - aus jedem der Baumringe werden die stabilen Kohlenstoff- und Sauerstoffisotope extrahiert und analysiert. Daraus lassen sich gut Klimadaten ablesen", sagt Haslinger, der von einer prinzipiell "soliden Forschungsarbeit" spricht. Er will aber nicht bestätigen, dass die gezogenen Schlüsse tatsächlich so für ganz Europa gelten - die Forscher, die nun die Studie vorlegten, untersuchten nämlich die Situation in Tschechien und Südbayern, also Teile von Zentraleuropa. In Skandinavien etwa hingegen habe der Niederschlag in den letzten Jahren zugenommen, betont er.
Prinzipiell gebe es immer wieder Wechsel von feuchten zu trockenen Jahren - wie die Kernabbildung der Studie in der Grafik über diesem Absatz zeigt. Man müsse allerdings auch sehen, dass es in den 2100 Jahren bis heute bereits extrem trockene Sommer gegeben habe. "In den Jahren um 1500 war es genau so": Haslinger erwähnt vor allem 1540 mit einer Dürre, die "alles, was bislang in Europa zu sehen war, in den Schatten stellte" - auch verglichen mit dem besonders trockenen und heißen Jahr 2003. Der Forscher weiter: "Ja, wir hatten zuletzt schlimme Trocken-Jahre. Dass es so etwas in ganz Europa noch nie zuvor gab, stimmt so aber nicht."
"In den vergangenen Jahren hatten wir viele Trocken-Episoden, das gibt es aber immer wieder: Anomalien in der atmosphärischen Zirkulation sind im Wesentlichen dafür verantwortlich." Zumindest ein kleiner Teil dieser Dürre-Ereignisse sei zweifellos auch dem Klimawandel zuzuschreiben. Die Forscher hinter der aktuellen Studie führen die beobachtete Häufung der ungewöhnlich trockenen Sommer hingegen vor allem auf die vom Menschen verursachte Erwärmung und der damit verbundenen Veränderungen der Position des "Polarjetstreams" (starke Höhenwinde, die Tiefdruckgebieten den Weg weisen) zurück.
Sehr trockene 1860er- und 1970er-Jahre
"Nach Jahrhunderten eines langsamen, signifikanten Rückgangs haben wir einen drastischen Einbruch erlebt, was besonders für die Land- und Forstwirtschaft alarmierend ist. Das beispiellose Waldsterben in weiten Teilen Mitteleuropas bestätigt unsere Ergebnisse", bilanziert Studien-Mitautor Mirek Trnka. Von einem Trend, was trockene Sommer anbelangt, will Haslinger trotzdem nicht sprechen. Gerade die Menge des Niederschlags variiere stark - so seien beispielsweise auch schon die 1860er-Jahre (in denen der Neusiedlersee zum letzten Mal vollständig austrocknete) und die 1940er-Jahre sehr trocken gewesen. Es sei schwierig nachzuweisen, dass der Effekt allein auf die globale Erwärmung zurückzuführen sei - und nicht etwa auf andere Mechanismen in der Atmosphäre.
Der Golfstrom als wichtiger Klimagenerator im Atlantik wird immer wieder ins Treffen geführt, was Veränderungen von Europas Klima betrifft: Er ist schwächer geworden - diese Entwicklung hätte, wenn sie so anhält, massive Auswirkungen auf das Klima in Europa: Es würde auf dem Kontinent kälter und trockener werden. Auch hier ist für Haslinger die Datenlage aber noch nicht ausreichend. Für Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist die Lage indes eindeutig: Die Abschwächung im 20. Jahrhundert sei beispiellos - und wahrscheinlich eine Folge des vom Menschen verursachten Klimawandels.