Nach dem schweren Erdbeben in Kroatien wird nun schrittweise das Ausmaß der Schäden sichtbar. In dem am schwersten betroffenen Gebieten südlich von Zagreb sind in den Städten Sisak, Glina und Petrinje etwa 1000 Häuser zerstört und ebenso viele beschädigt. Besonders betroffen ist das knapp 200 Einwohner zählende Dorf Majske Poljane; eine Bewohnerin brachte die Katastrophe, die sich am Dienstag zur Mittagszeit ereignete, so auf den Punkt: „In zwei Minuten haben die Menschen alles verloren. Es gibt keinen Strom, die Menschen hatten gefüllte Kühlschränke, jetzt haben sie nichts mehr. Wir brauchen Container, wenn der Wiederaufbau beginnt, der aber dauern wird. Die Menschen hier haben alle Haustiere, sie haben sieben Kühe, von denen sie leben, das ist ihre Existenz. Schon vor dem Beben war das Leben hier schwer; vor dem Krieg war das Dorf reich, es gab sogar eine Straßenbeleuchtung. Jetzt ist nichts mehr davon übrig, als ob man in eine Zone der Dämmerung eintritt.“
Zu den Problemen zählt, dass viele Bauern ihre zerstörten oder beschädigten Häuser nicht verlassen können oder wollen, weil sie sich um ihr Vieh kümmern müssen. Da setzen auch private Helfer an wie etwa der Logistikunternehmer Michael Markota, der einen kroatischen Vater und eine Mutter aus Wien hat. Markota hat 1300 Mitarbeiter und 350 Lkw in Kroatien. Er liefert nunmehr mit einem Partner Lkw-Planen an Betroffene, damit sie die beschädigten oder eingestürzten Dächer ihrer Häuser notdürftig schützen können. Dem Spendenaufruf des Unternehmers über die sozialen Netzwerke folgten viele Bewohner in Zagreb; sie brachten Kleidung und Decken an zwei Sammelstellen, mehr als 20 Klein-Lkw konnten so mit Hilfsgütern in das Erdbebengebiet geschickt werden.
Die Hilfsbereitschaft der Kroaten für ihre Landsleute ist generell groß. Die Behörden riefen daher die Bevölkerung auf, nicht selbstständig in das Krisengebiet zu fahren, um die Straßen für die Hilfsmannschaften offen zu halten. Im Einsatz sind hunderte Feuerwehrleute, Soldaten sowie Mitarbeiter des Zivilschutzes. Kroatien hat bereits unmittelbar nach dem Erdbeben den EU-Katastrophenschutzmechanismus aktiviert.
13 Staaten leisteten bisher Hilfe, darunter auch Österreich, das 450 Feldbetten zur Verfügung stellte. Insgesamt lieferten die EU-Mitglieder mehrere Tausend Feldbetten, Schlafsäcke, mobile Heizungen. Dringend benötigt werden Wohncontainer, um die betroffene Bevölkerung unterzubringen. Auch hier halfen private Unternehmer, die etwa Wohnwagen ins Krisengebiet schickten.
In Petrinje, Sisak und Glina verbrachten viele Bürger die erste Nacht nach dem Beben im Freien. Manche schliefen auch in ihren Autos oder konnten in Schulen untergebracht werden. In Petrinje, das am stärksten betroffen ist, verbrachten 500 Bewohner die erste Nacht in Notunterkünften. Die Straßen des Stadtzentrums sind bereits vom Schutt befreit, doch das Zentrum mit seinen zerstörten und beschädigten Häusern ist weitgehend menschenleer. In Sisak wurde der alte Teil des Krankenhauses zerstört; Patienten mussten in Spitäler nach Zagreb und Karlovac gebracht werden, darunter acht Personen, die wegen der Corona-Infektion künstlich beatmet werden müssen.
Zu all den Problemen mit der Katastrophenhilfe kommt noch der Umstand hinzu, dass allein am Mittwoch etwa 40 Nachbeben in Kroatien registriert wurden. Die vorläufige Opferbilanz sieht derzeit so aus: sieben Tote, darunter ein 12-jähriges Mädchen, mindestens sechs Schwer- und mehr als 20 Leichtverletzte. Das Beben ist bereits das zweite, das Kroatien in der Zeit der Corona-Pandemie trifft; das erste Beben ereignete sich im März und betraf vor allem die Hauptstadt Zagreb, die auch dieses Mal leichtere Schäden davontrug.
unserem Korrespondenten Christian Wehrschütz