Mehr als fünf Jahre nach dem Anschlag auf die französische Satirezeitung "Charlie Hebdo" hat der Prozess gegen mutmaßliche Helfer der Attentäter begonnen. Unter massivem Polizeischutz wurde das Verfahren am Mittwoch vor einem Pariser Schwurgericht eröffnet. Den 14 Angeklagten drohen mehrjährige Gefängnisstrafen bis hin zu lebenslanger Haft.
"Charlie Hebdo" druckte in einer Sonderausgabe erneut die Mohammed-Karikaturen nach, deretwegen das Blatt zur Zielscheibe von Islamisten geworden war. Aus einem Teil der muslimischen Welt kam daran Kritik.
In dem mit Abstand größten Terrorprozess der vergangenen Jahre in Frankreich sind 13 Männer sowie eine Frau angeklagt. Die Verdächtigen sollen das islamistische Brüderpaar Cherif und Said Kouachi unterstützt haben, das am 7. Jänner 2015 die Redaktion von "Charlie Hebdo" stürmte und zwölf Menschen tötete, darunter einige der bekanntesten Karikaturisten Frankreichs.
Helfer auch bei darauffolgenden Taten
Zudem halfen sie laut Anklage dem Extremisten Amedy Coulibaly, der in den darauffolgenden Tagen eine Polizistin tötete sowie vier weitere Menschen bei der Geiselnahme in einem von Juden besuchten Supermarkt. Die drei Attentäter wurden ihrerseits durch die Polizei gestellt und getötet. Sie hatten sich zu Al-Kaida im Jemen und der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) bekannt.
Der für Anti-Terrorismus zuständige Staatsanwalt Jean-Francois Ricard erklärte, der Prozess habe zwei Ziele: "der Wahrheit nahe zu kommen" und die Überlebenden zu Wort kommen zu lassen. Die ersten Wochen des Verfahrens sind der Anhörung der rund 200 Zivilkläger gewidmet. Darunter sind zahlreiche Angehörige der insgesamt 17 Todesopfer der Anschläge.
Erst danach sollen die Angeklagten aussagen. Nur elf von ihnen erscheinen persönlich vor Gericht. Drei weitere sind in Abwesenheit angeklagt. Sie waren nach den Anschlägen nach Syrien geflohen, womöglich wurden sie bei Kämpfen getötet. Zu ihnen gehört die frühere Frau Coulibalys, die einzige angeklagte Frau.
"Der Hass, der uns getroffen hat, ist immer noch da", schrieb der Redaktionsleiter von "Charlie Hebdo", Laurent Sourisseau, in einem Leitartikel. Er äußerte die Hoffnung, dass "in zehn, 20 Jahren freiere Geister zum Vorschein kommen als die unserer Zeit".
In der Sonderausgabe der Zeitung sind erneut die Mohammed-Karikaturen zu sehen, mit denen die Islamisten ihre Tat begründeten. Sie zeigen unter anderem den Propheten Mohammed mit einer Bombe auf dem Kopf anstelle eines Turbans.
Scharfe Kritik daran kam aus Pakistan: Die erneute Veröffentlichung habe zum Ziel, "die Gefühle von Milliarden von Muslimen zu verletzen", schrieb Außenminister Shah Mahmood Qureshi auf Twitter. In Frankreich rief der Präsident des muslimischen Dachverbands CFCM, Mohammed Moussaoui, dazu auf, die Zeichnungen zu "ignorieren". Er verurteilte zugleich jede Gewalt.
Der Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen, Christophe Deloire, nannte den Neuabdruck der Karikaturen dagegen eine "mutige Wahl". "Wir dürfen keine Angst haben", betonte der Anwalt von "Charlie Hebdo", Richard Malka - "weder vor dem Terrorismus, noch vor der Freiheit".
Kurz vor dem Prozess hatte der französische Präsident Emmanuel Macron "die Freiheit zur Gotteslästerung" in seinem Land verteidigt. Das Recht auf blasphemische Äußerungen und Darstellungen sei in Frankreich durch die Gewissensfreiheit abgedeckt, betonte er bei einem Besuch im Libanon.
Wegen seiner historischen Bedeutung wird der gesamte Prozess gefilmt. Die Pariser Anti-Terror-Staatsanwaltschaft hat die Verhandlungen bis zum 10. November angesetzt. Ursprünglich sollten sie bereits im Mai beginnen, doch die Coronakrise und die Ausgangsbeschränkungen kamen dazwischen.