Im Zentrum von Portland, der Hauptstadt des US-Westküstenstaats Oregon, liefern sich die lokale Polizei sowie die von Donald Trump entsandten Bundeseinheiten weiter nächtliche Auseinandersetzungen mit Demonstranten. Auch in Seattle kam es zu heftigen Zusammenstößen, in Texas wurde ein Demonstrant aus einem fahrenden Auto erschossen.
Seit mehreren Tagen befindet sich in Portland eine Gruppe Frauen, die „Wall of Moms“, ganz vorne bei den Protestkundgebungen. Aus den „Moms“ ist in wenigen Tagen eine US-weite Bewegung geworden. Bereits seit Wochen wird in Portland Nacht für Nacht gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert. Seit der Entsendung von zusätzlichen Beamten aus Washington hat sich jedoch die Gangart deutlich verschärft. Die unverhältnismäßige Gewaltbereitschaft der von US-Präsident Donald Trump geschickten Spezialeinheiten wurde vielfach kritisiert. Fast jeden Abend wurde in Portland Tränengas eingesetzt, zudem kam es bei vielen Demonstranten zu schweren Verletzungen.
Sorge um die Heimat
Die anfänglich über Facebook organisierte „Wall of Moms“ (WOM) besteht aus Frauen, die sich als Menschenmauer und Schutzschild zwischen die Protestierenden sowie die Spezialkräfte gestellt haben. Sie sind in der Menge leicht zu erkennen – viele von ihnen tragen gelbe T-Shirts. „Die Dinge hatten begonnen, sich zu beruhigen, und dann sind die Feds gekommen“, meint Marianne (58) aus Portland, die am Mittwochabend zum ersten Mal an der „Wall of Moms“ teilgenommen hat, unter Verwendung eines US-Slang-Ausdrucks für US-Bundespolizisten.
Mariannes Tochter lebt derzeit nicht in den USA. „Sie macht sich Sorgen um ihre Stadt und ihre Freunde.“ In den vergangenen Tagen hatten sich Berichte gehäuft, wonach Mitglieder der Bundeskräfte Demonstranten in Portland in unmarkierte Autos gezerrt hatten. Zudem waren Demonstranten verhört worden. „Es fühlt sich an wie im kommunistischen Russland“, so Marianne.
Die Bundesordnungskräfte machten in den vergangenen Tagen auch vor der Menschenkette der „Moms“ nicht halt. „Über unsere Mitglieder werden bereits Informationen gesammelt. Wir werden in den Straßen mit Gas beschossen. Wir sind überwiegend weiße Mütter aus den Vororten. Wie würden sie uns erst behandeln, wenn wir das nicht wären?“, erklärten die „Moms“ aus Portland auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
In kürzester Zeit wurde die Idee der Mütter, die sich den Trumpschen Spezialeinheiten deeskalierend entgegenstellen, jedoch zu einer bundesweiten Bewegung. Auch in New York, Chicago, Denver und Philadelphia formierten sich entsprechende Gruppierungen. Die Annahme dahinter ist, dass weitere Bundesbeamte in die von den Demokraten regierten und als liberal bekannten Städte entsandt werden könnten.
„Es ist eine maßlose Überschätzung der Bundeskompetenzen“, meint Terese (56), Mutter von drei Kindern, die sich bereits zum sechsten Mal den Kundgebungen im Stadtzentrum angeschlossen hat, jedoch nun zum zweiten Mal erst Teil der protestierenden „Moms“ ist, die sich als Unterstützer der „Black-Lives-Matter“-Bewegung sehen. „Mollige, weißhaarige Damen werden das zum Mainstream machen“, so Terese.
„Meine 24-jährige Tochter ist noch da drinnen“, erklärt Terese und zeigt auf das Stadtzentrum von Portland, wo sich knapp eine Stunde vor Mitternacht noch immer mehrere tausend Menschen befinden und ein Polizeihubschrauber zu hören ist. Wenige Stunden später wird Tränengas eingesetzt. Mitten in der Tränengaswolke befand sich am Mittwoch, wie US-Medien berichteten, auch Ted Wheeler, der Bürgermeister der Stadt Portland.
US-Präsident Donald Trump hatte zuletzt angekündigt, trotz der Kritik weitere Bundesbeamte in mehrere US-Großstädte entsenden zu wollen, allen voran Chicago. „Wir werden mehr Bundesgesetzeshüter haben, so viel kann ich sagen“, so Trump.
Siegmund Skalar aus Portland