Eine im Missbrauchsfall Münster als Tatverdächtige inhaftierte Frau hat bis zu ihrer Festnahme als Erzieherin in einem Kindergarten gearbeitet. "Die Leitung der Kita wurde von uns informiert", sagte Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.
Derzeit gebe es aber keine Hinweise auf Taten der 45-Jährigen im Kindergarten. Ermittelt werde nur im familiären Umfeld der Frau. Ihre Gartenlaube in Münster gilt derzeit als Haupttatort.
Die Polizei hat drei Kinder als Opfer identifiziert. Sie sind fünf, zehn und zwölf Jahre alt. Elf Tatverdächtige wurden festgenommen, sieben Beschuldigte, darunter die 45-jährige Mutter, befinden sich in Untersuchungshaft. Der Hauptbeschuldigte ist ein 27-jähriger IT-Experte aus Münster.
Welle der Bestürzung
Der Missbrauchsfall Münster hat eine Welle der Bestürzung ausgelöst. "Diese furchtbaren Missbrauchsfälle von Münster erschüttern mich zutiefst", sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) am Sonntag. Sie zeigten ein weiteres Mal, "wie widerwärtig menschliche Abgründe sein können", sagte Reul. "Unschuldige Kinder werden wie Objekte zum Missbrauch angeboten und deren Leben für immer zerstört."
Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe reagierte ebenfalls bestürzt. "Ich bin erschrocken, dass unsere Stadt offenbar Schauplatz solch schrecklicher Taten war", teilte der CDU-Politiker mit. "Unsere Aufmerksamkeit und unsere Gedanken sind bei der Kindern, die nun in sicheren Einrichtungen sind und dort umfassende professionelle Hilfe bekommen."
Verschleiertes Missbrauchsnetz
Die Polizei in Münster war auf das professionell verschleiertes Kindesmissbrauchsnetz gestoßen und hat in mehreren Bundesländern elf Verdächtige festgenommen. Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft vom Samstag wurden drei Kinder als Opfer identifiziert. Sie sind demnach fünf, zehn und zwölf Jahre alt. Der Hauptbeschuldigte ist ein 27-jähriger IT-Techniker aus Münster. Ermittler fanden hochprofessionelle technische Ausstattung zur Videoaufzeichnung und riesige Mengen versiert verschlüsselter Daten.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter forderte nach Bekanntwerden des Missbrauchsfalls eine deutlich verbesserte personelle und technische Ausstattung bei der Polizei. "In einem solchen Fall stellen wir beim Blick in die kriminalpolizeiliche Praxis fest, dass wir über unsere Grenzen hinaus kommen. Wir müssen ja Experten haben, die ermitteln, aber die ziehen wir woanders los und holen sie aus anderen Dienststellen", sagte Sebastian Fiedler im WDR-Fernsehen.
Er lobte, dass Innenminister Reul das Thema Kindesmissbrauch zur Chefsache erklärt habe. "Es reicht aber nicht aus, mit kleinen Schritten voranzugehen was die Ausstattung und was die Qualifikation angeht." Jetzt seien riesengroße Schritte notwendig. Ein Plus an Experten wie IT-Techniker für Verschlüsselungstechnik oder Leute, die sich mit Opferanhörung auskennen, sei notwendig.
Jugend hatte Kontakt
Zu der Familie von einem der Opfer des Missbrauchsfalls in Nordrhein-Westfalen hatte das Jugendamt der Stadt Münster Kontakt. Die Familie sei den Behörden aus den Jahren 2015 bis 2016 bekannt, "weil der soziale Kindsvater wegen des Besitzes und des Vertriebs pornografischer Daten aufgefallen war", teilte die Stadt am Samstag mit. In dieser Zeit habe das Jugendamt Kontakt zu der Familie gehabt. 2015 habe das Familiengericht keinen Anlass gesehen, das Kind aus der elterlichen Verantwortung zu nehmen. Oberbürgermeister Lewe sagte dazu: "Eine Bewertung können wir erst vornehmen, wenn die Faktenlage dafür ausreichend geklärt ist."
Am Wochenende wurde der Tatort in der Kleingartenanlage im Norden Münsters von Polizisten bewacht. Kleingärtner und Besucher der gepflegten Anlage zeigten sich entsetzt, wollten sich aber nicht zu den mutmaßlichen Geschehnissen auf der durch die Polizei versiegelten Parzelle äußern. In der Gartenlaube sollen vier Männer stundenlang wechselweise zwei Buben vergewaltigt haben. Der 27-jährige Hauptverdächtige soll dazu den Männern den zehnjährigen Sohn seiner Lebensgefährtin überlassen haben. Das zweite Opfer war den Angaben zufolge der Sohn (5) eines Beschuldigten aus Staufenberg (Hessen).
Bilder und Videos der Taten bot der Hauptverdächtige im Darknet an. Der Fall war am Freitag bekannt geworden, nachdem in mehreren Bundesländern Tatverdächtige festgenommen worden waren. Die Ermittler stellten inzwischen mehr als 500 Terabyte versiert verschlüsselten Materials sicher. Nach der Auswertung der ersten Daten gehen Polizei und Staatsanwaltschaft davon aus, dass bisher nur ein kleiner Teil der mutmaßlichen Verbrechen bekannt geworden ist. Von elf Festgenommenen sitzen sieben in Untersuchungshaft.