Im Fall der verschwundenen dreijährigen Madeleine "Maddie" McCann aus Großbritannien werden immer mehr Details über den inzwischen mordverdächtigen Deutschen bekannt. Der 43-Jährige sitzt derzeit in Kiel eine alte Haftstrafe ab, die das Amtsgericht Niebüll bereits 2011 gegen ihn verhängt hatte. Dabei ging es um Handel mit Betäubungsmitteln.
Parallel ist wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn Untersuchungshaft angeordnet. Denn zuletzt verurteilte ihn das Landgericht Braunschweig am 16. Dezember 2019 wegen schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung früherer Strafen zu sieben Jahren Haft. Er hatte 2005, rund eineinhalb Jahre vor dem Verschwinden Maddies, im portugiesischen Praia da Luz eine damals 72-jährige Amerikanerin vergewaltigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision liegt beim Bundesgerichtshof. Ebenfalls in Praia da Luz verschwand am 3. Mai 2007 die kleine Maddie aus einer Appartementanlage.
Nach Ansicht des Profilers und Kriminalexperten Axel Petermann deuten die Indizien darauf hin, dass der Verdächtige die kleine Maddie nicht nur missbraucht, sondern auch ermordet haben könnte. "Von den äußeren Rahmenbedingungen könnte er durchaus als Täter in Frage kommen", sagte der frühere Bremer Mordermittler der dpa. "Er war zur Tatzeit dort, hat offensichtlich eine Präferenz für Kinder, die er auch missbraucht hat, und scheint als Einbrecher in Hotelanlagen tätig gewesen zu sein."
Es könne gut sein, dass der Mann das schlafende Mädchen bei einem Einbruch zufällig entdeckt habe, es zu einem Motivwechsel gekommen sei und er sich daraufhin an dem Kind vergangen habe, erklärte Petermann, der auch als Berater des Bremer ARD-"Tatort" bekannt wurde.
Am Mittwochabend gaben Bundeskriminalamt (BKA) und Staatsanwaltschaft Braunschweig überraschend bekannt, dass der Deutsche im Fall Maddie unter Mordverdacht steht. "Wir gehen davon aus, dass das Mädchen tot ist", bekräftigte der Sprecher der Braunschweiger Staatsanwaltschaft, Hans Christian Wolters.
Mit ihrem erneuten Zeugenaufruf haben die Ermittler ein wichtiges Ziel erreicht: Die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst", die den Fall am Mittwochabend thematisiert hatte, habe große Resonanz erfahren, sagte Wolters der Deutschen Presse-Agentur. "Es sind zahlreiche Hinweise eingegangen, die derzeit ausgewertet werden." Mehr als 5,2 Millionen Zuschauer hatten die ZDF-Fahndungssendung gesehen.
Nach Angaben der Ermittler lebte der Beschuldigte zwischen 1995 und 2007 regelmäßig an der Algarve, darunter einige Jahre in einem Haus zwischen Lagos und Praia da Luz. Immer wieder pendelte er zwischen Deutschland und Portugal, wurde in beiden Ländern mehrmals straffällig. Im September 2017 wurde er wegen Besitzes von Kinderpornografie und sexuellen Missbrauchs eines Kindes vom Landgericht Braunschweig verurteilt. Der Mann habe eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten erhalten, die er bereits verbüßt habe, bestätigte Thomas Klinge, Sprecher der für Kinder- und Jugendpornografie zuständigen Staatsanwaltschaft Hannover.
Laut "Spiegel" weist das Strafregister des Mannes insgesamt 17 Einträge auf. Schon vor rund 27 Jahren, im Oktober 1993, verhängte das Amtsgerichts Würzburg eine zweijährige Jugendstrafe gegen den damals noch Minderjährigen wegen "sexuellen Missbrauches eines Kindes, versuchten sexuellen Missbrauchs eines Kindes sowie Vornahme sexueller Handlungen vor einem Kind", wie aus Gerichtsunterlagen hervorgeht.
"Bild" zitierte den "Aktenzeichen XY... ungelöst"-Moderator Rudi Cerne am Donnerstag mit den Worten: "Wir müssen festhalten an dieser Stelle: Es gibt noch keine Leiche, es gibt auch keinen dringenden Tatverdacht, es gibt Indizien, es gibt Hinweise, es gibt Tipps, es gibt aber keinen Beweis und es gibt kein Geständnis. Das ist jetzt eine Sisyphusarbeit, aber die Ermittler sind sehr sorgfältig, und ich habe den Eindruck, die Schlinge zieht sich da immer weiter zu."