Seinen Anfang nahm die heute dramatische Situation bereits vor rund anderthalb Jahren auf der Arabischen Halbinsel. Angaben der Welthungerhilfe zufolge entstanden im Winter 2018 im Jemen und im Oman die ersten größeren Heuschreckenschwärme der jüngeren Geschichte und konnten sich zunächst auch relativ ungehindert ausbreiten. Bewaffnete Konflikte und andere Sorgen hielten die Bevölkerung und Regierungen davon ab, sich um die Plage zu kümmern.
Das hatte fatale Folgen, wie sich nun zeigt. Schon wenige Monate später hatten sich die gefräßigen Insekten über weite Teile der Arabischen Halbinsel ausgebreitet und zogen weiter bis in den Iran, nach Pakistan und in weiterer Folge auch nach Ostafrika – und hinterließen bis heute gewaltige Spuren der Verwüstung.
Ganze Ernten in wenigen Minuten vernichtet
Die Schwärme bestehen aus Hunderten von Millionen Tieren und können einen Umfang von bis zu 60 Kilometern erreichen. In nur wenigen Minuten fressen sie ganze Felder und Weideflächen kahl. An einem Tag können die Insekten bis zu 150 Kilometer zurücklegen, dabei frisst jede Heuschrecke täglich die Menge des eigenen Gewichts. Hochgerechnet ist das etwa so viel, wie es braucht, um 35.000 Menschen zu ernähren. Die Vermehrung der Heuschrecken ist exponentiell: In drei Monaten kann sich die Population verzwanzigfachen, in sechs Monaten ist die Zahl der Heuschrecken unter günstigen Bedingungen 400 Mal, nach neun Monaten 8000 Mal so hoch.
Das Wetter der Extreme hat die Ausbreitung der Schwärme laut FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, stark begünstigt. Nach langen Trockenperioden sind extreme Regenmengen gefallen. Das hat aber nicht nur die Vermehrung der Heuschrecken befeuert, sondern zugleich die Ernteerträge in den betroffenen Gebieten schon im Vorfeld stark dezimiert. Die FAO warnt daher mit Nachdruck vor der aktuellen Entwicklung. Bis Juni könnten bis zu 25 Millionen Menschen von Hunger bedroht sein. Bereits jetzt sind über 10 Millionen Menschen in Ostafrika von einer schweren Hungerkrise betroffen oder leiden an Mangelernährung.
Die jüngsten Hilferufe kommen allerdings aus Indien und Russland. Moskau vermeldete, dass Pflanzen auf einer Fläche von 2500 Quadratkilometern von den Schwärmen vernichtet wurden. Russland ist einer der größten Getreide-Exporteure der Welt. Die indische Regierung berichtet von der schlimmsten Heuschreckenplage seit knapp drei Jahrzehnten. Insgesamt sei eine Fläche von 47.000 Hektar betroffen. Gerade steigt die Zahl der Corona-Infektionen stark an. Viele Städte leiden zudem unter einer Hitzewelle mit Temperaturen von stellenweise bis zu 50 Grad und starken Unwettern.
In vielen Ländern werden nun großflächig chemische Mittel gegen die Schwärme eingesetzt. Doch das tötet auch Nützlinge, verseucht die Böden und gefährdet auch die Menschen vor Ort, die teilweise die Insekten essen, um ihren Hunger zu stillen.