Die Zahl der akut am Coronavirus erkrankten Menschen in Österreich sinkt weiter. Setzt sich die positive Entwicklung fort, dann dürften schon in wenigen Tagen weniger als 1.000 Personen mit dem Virus infiziert sein. In China steigt allerdings die Sorge vor einer zweiten Welle. Die Millionenstadt Jilin wurde praktisch abgeriegelt, auch in Wuhan tauchten neue Covid-19-Fälle auf.
Den Angaben des Innen- und Gesundheitsministeriums vom Mittwochvormittag (Stand 9.30 Uhr) zufolge waren 1.069 Menschen in Österreich aktiv erkrankt. Dies sind um 121 bzw. 10,2 Prozent weniger als noch am Dienstag. 243 Personen befanden sich aufgrund des Coronavirus in krankenhäuslicher Behandlung, davon lagen 55 auf Intensivstationen. Österreich war bisher laut Experten bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie sehr erfolgreich. "Man muss schon sagen, dass wir den ersten Teil unserer 'Hausaufgabe' bravourös erfüllt haben", sagte der Infektiologe Florian Thalhammer (MedUni Wien/AKH) am Mittwoch in einer Online-Ärztefortbildung.
Bisher gab es in Österreich 15.997 positive Testergebnisse. Erstmals über 15.000 Infektionen waren am Donnerstag, dem 23. April, vermeldet worden. Drei Wochen später bewegt sich der diesbezügliche Zuwachs damit bei 1.000 Menschen. 624 Menschen sind inzwischen mit oder an Covid-19 verstorben. Laut Thalhammer werde man in einigen Wochen sehen, wie sich die Lockerung Maßnahmen auswirke: "Wir werden Ende Mai wissen, ob die Epidemie im Griff ist oder ob die 'heiße' effektive Reproduktionszahl wieder deutlich über 1 ist."
Keinen Fall gab es mehr in Ischgl, einer der ehemaligen Coronavirus-Hot-Spots in Österreich. Auch der wegen des Corona-Managements schwer unter Druck geratene Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) bleibt im Amt. Der Misstrauensantrag der Opposition wurde am Mittwoch im Landtag mit schwarz-grüner Mehrheit abgeschmettert. Indes wurde nach einer emotionalen Debatte im Landesparlament auch die Expertenkommission zur Untersuchung des Krisenmanagements beschlossen.
Grenzöffnungen und Lockerungen
Die EU-Kommission empfahl angesichts niedrigerer Neuinfektionszahlen in der Coronavirus-Krise, die Grenzen innerhalb der EU schrittweise wieder zu öffnen. Wichtig sei ein gemeinsamer Ansatz zur Aufhebung der geltenden Reisebeschränkungen, teilte die EU-Behörde in Brüssel am Mittwoch mit. Einen ersten Schritt machten Österreich und Deutschland. Die am 15. Juni die coronabedingt geschlossenen Grenzen zwischen Deutschland und Österreich werden wieder geöffnet. Schon ab Freitag werde es nur noch stichprobenartige Kontrollen geben. Auch die Schweizer Grenze zu Österreich soll ab 15. Juni wieder offen sein. Bedingung sei laut dem Justiz- und Polizeidepartement in Bern, dass die pandemische Entwicklung positiv bleibe.
Auch andere Länder lockern vermehrt die strengen Bekämpfungsmaßnahmen. Nach fast zwei Monaten strikter Ausgangsbeschränkungen kehrten am Mittwoch etwa in England zahlreiche Menschen zu ihren Arbeitsstätten zurückgekehrt, wenn auch ein bisschen holprig. Passagiere berichteten von teils überfüllten U-Bahnen und Bussen, wo der Sicherheitsabstand nicht einzuhalten sei. Längst nicht alle Fahrgäste trugen die empfohlenen Masken. Eine Frau berichtete, sie komme sich wie in einem "Corona-Party-Bus" vor.
Die Lockerung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus signalisieren aber in keiner Weise das Ende der Krise. Das betonte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Mittwoch. Die Rückkehr in eine Art Normalität sei ein langer Weg, sagte Nothilfekoordinator Michael Ryan am Mittwoch in Genf. Nur mit einem umfangreichen Programm zur Überwachung der Neuansteckungen seien die Lockerungen sinnvoll.
Angst vor zweiter Welle
Tatsächlich wächst vor allem in China die Angst vor einer zweiten Welle der Epidemie. Am Mittwoch musste erneut eine Metropole wegen des Corona-Risikos von den Behörden weitgehend abgeschottet werden. Die gut vier Millionen Einwohner von Jilin im Nordosten des Landes dürfen die Stadt nur verlassen, wenn sie einen negativen Corona-Test vorweisen können und sich in Quarantäne begeben, wie die Verwaltung am Mittwoch erklärte. In einem Vorort von Jilin war am Wochenende ein neuer Infektionsherd mit inzwischen 21 Fällen bekannt geworden. Die Stadtverwaltung nannte die Lage "sehr ernst". Es gebe ein hohes Ansteckungsrisiko.
Auch in der chinesischen Millionenstadt Wuhan waren zuvor neue Infektionen registriert worden. Die Behörden ordneten an, alle elf Millionen Einwohner testen zu lassen. In der zentralchinesischen Industriemetropole war das neuartige Coronavirus Ende 2019 erstmals bei Menschen festgestellt worden.
Rekordzahlen in Brasilien und Russland
Große Sorge bereitete auch Brasilien, wo die Behörden am Dienstag eine Rekordzahl von 881 neuen Todesfällen binnen 24 Stunden meldete. Bisher starben damit nach offiziellen Angaben 12.400 Menschen an den Folgen der neuartigen Viruserkrankung. Einer neuen Studie zufolge breitete sich das Virus schon länger in dem südamerikanischen Land aus als bisher angenommen, nämlich in der ersten Februarwoche und somit vor dem gut besuchten Karneval. Damit steht Brasilien bei den Infektionen inzwischen an siebenter Stelle nach den USA, Russland, Spanien, Großbritannien, Italien und Frankreich.
Auch in Russland stieg die Zahl der mit dem neuartigen Coronavirus Infizierten weiter rapide an. Den Behörden zufolge wurden binnen 24 Stunden 10.028 neue Infektionsfälle registriert. In Russland wurden damit seit Beginn der Pandemie 242.271 Infektionsfälle verzeichnet. Die russischen Behörden argumentierten allerdings die stark steigenden Infektionszahlen mit einer Ausweitung der Tests. Nach zwei tödlichen Bränden in russischen Krankenhäusern haben die Behörden die Nutzung der vermutlich dafür verantwortlichen Beatmungsgeräte gestoppt. Das in Russland seit dem 1. April produzierte Modell Aventa-M wird einstweilen für die künstliche Beatmung von Covid-19-Patienten nicht mehr eingesetzt.