In Hongkong sind am Sonntag mehrere von Aktivisten organisierte Demonstrationen gegen die chinafreundliche Regierungschefin Carrie Lam in Verfolgungsjagden der Polizei ausgeartet. In mindestens acht Einkaufszentren versammelten sich Hunderte Menschen anlässlich des Muttertags zu sogenannten Flashmobs, also spontan wirkenden Zusammenkünften.
Die Polizei habe mindestens elf Menschen festgesetzt, darunter ein zwölfjähriges Mädchen, hieß es am Sonntag in Medienberichten. Zudem seien gegen Dutzende Menschen Geldstrafen verhängt worden, weil sie die Abstandsregeln zur Eindämmung des Coronavirus nicht eingehalten hätten.
Auf live im Internet übertragenen Aufnahmen war zu sehen, wie Sonderkräfte der Polizei die Teilnehmer jagten. Am Abend kam es im Geschäftsviertel Mong Kok dann zu Zusammenstößen mit der Polizei, bei denen weitere Menschen festgenommen wurden, darunter ein Abgeordneter der Demokratie-Bewegung. Die Polizisten setzten Schlagstöcke und Pfefferspray gegen die Demonstranten ein. Zudem verteilten die Sicherheitskräfte Strafzettel in Höhe von umgerechnet mehr als 200 Euro wegen angeblicher Verstöße gegen die Corona-Abstandsregeln.
Demonstranten sehen ihre Freiheiten eingeschränkt
Demnach gilt für Gruppen von mehr als acht Personen ein öffentliches Versammlungsverbot. Die Demonstranten warfen den Behörden vor, die Maßnahmen gegen die Pandemie auszunutzen, um bürgerliche Freiheiten in der chinesischen Sonderverwaltungsregion zu beschneiden. In einem Einkaufszentrum habe ein Polizist Pfefferspray gegen Demonstranten und Journalisten eingesetzt, nachdem eine Wasserflasche auf die Beamten geworfen worden sei.
"Das ist nur eine Aufwärmphase, unsere Protestbewegung muss neu beginnen", sagte ein Universitätsstudent, der seinen Namen als "B" angab, der Nachrichtenagentur AFP. "Es ist ein Zeichen, dass die Bewegung wieder zum Leben erwacht, wir alle müssen jetzt aufwachen."
Lam als "Mutter"
Zu den Muttertags-Aktionen hatten Aktivisten im Internet aufgerufen. Sie verwiesen auf Äußerungen von Lam im vergangenen Jahr. Angesichts der damaligen Protestbewegung hatte die Regierungschefin die teilnehmenden Jugendlichen als "Kinder" bezeichnet - und sich selbst als "Mutter", die den richtigen Weg weisen müsse. Dies hatte die Proteste zusätzlich befeuert.
Seit dem vergangenen Sommer hat Hongkong fast jede Woche Demonstrationen für mehr Demokratie und Unabhängigkeit von Festland-China für die Sonderverwaltungszone Hongkong erlebt. Dabei kam es auch zu Ausschreitungen und Zusammenstößen mit der Polizei. Massen-Festnahmen und auch die Corona-Pandemie hatten die Bewegung aber erlahmen lassen, seit den Erfolgen im Kampf gegen die Pandemie gibt es seit kurzer Zeit aber auch wieder vereinzelte Proteste.
Mehrere Forderungen
Die Proteste richteten sich gegen die nicht frei gewählte Hongkonger Regierung sowie den wachsenden Einfluss der kommunistischen Pekinger Führung. Die Demonstranten forderten freie Wahlen, eine unabhängige Untersuchung der Polizeibrutalität bei den Protesten sowie Straffreiheit für die mehr als 7.000 Festgenommenen.
Seit der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China wird Hongkong nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger genießen mehr rechtliche Freiheiten als Bürger in der Volksrepublik.