Die Frau hinter den Missbrauchsvorwürfen gegen den demokratischen US-Präsidentschaftsbewerber Joe Biden, Tara Reade, hat dessen Rückzug aus dem Rennen ums Weiße Haus gefordert. "Sie sollten nicht als Präsidentschaftskandidat für die Vereinigten Staaten antreten", sagte Reade am Donnerstag (Ortszeit) im einem Interview. Überdies sei sie zu einem Lügendetektor-Test bereit, wenn Biden dies auch sei.
Reade wirft Ex-Senator Biden vor, sie vor 27 Jahren in einem Gang des US-Kongresses massiv bedrängt zu haben. Er soll sie an die Wand gedrückt, ihr unter die Unterwäsche und in ihren Intimbereich gegriffen haben. Nach längerem Schweigen wies Biden die Anschuldigung als unwahr zurück. Zwar ist der Fall juristisch gesehen verjährt; dennoch sind die Vorwürfe eine schwere Hypothek für Biden und könnten ihm im Wahlkampf schwer schaden.
Reade sagte in dem Interview mit der Journalistin Megyn Kelly, einer ehemaligen Fox-News-Moderatorin und NBC-Talkshow-Gastgeberin, sie hoffe, dass sich Biden aus dem Präsidentschaftsrennen zurückziehe, glaube aber nicht, dass er das tun werde. Zudem sei es wohl "ein bisschen spät" für eine Entschuldigung. Reade trat in dem Interview erstmals vor der Kamera auf, seit Biden die Anschuldigungen vor einer Woche zurückgewiesen hatte.
Unterdessen tauchten neue Beweise aus den 90er Jahren auf, aus denen hervorgeht, dass Reade ihrem Ex-Mann erzählte, dass sie sexuell belästigt worden sei, während sie für Biden gearbeitet habe. Es handelt sich um ein Gerichtsdokument von 1996, das der Zeitung "San Luis Obispo Tribune" vorliegt.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Aus dem Dokument geht allerdings weder hervor, dass Biden den mutmaßlichen Übergriff beging, noch werden Reades jüngste und schwer wiegendere Anschuldigungen erwähnt. Reades damaliger Ehemann, Theodore Dronen, schrieb in der Gerichtserklärung, dass Reade ihm von einem "Problem bezüglich sexueller Belästigung am Arbeitsplatz" im Büro des damaligen Senators Biden erzählte.
Reades Aussagen zu dem mutmaßlichen Vorfall variierten mit der Zeit. Anfang 2019 zählte sie zu einer Reihe von Frauen, die Biden zwar keinen Übergriff vorwarfen, aber unangemessene Berührungen. Zuletzt erhob sie dann die schwereren Vorwürfe.
Bidens Vize-Kampagnen-Chefin Kate Bedingfield erklärte laut "Washington Post" am Donnerstag, dass "immer mehr Ungereimtheiten auftauchen". Frauen müsse es möglich sein, ihre Erfahrungen ohne Angst mitzuteilen. In Reades Fall allerdings seien die Anschuldigungen falsch, was auch das mutmaßliche Beweismaterial zeige.
Biden hat das Rennen der Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur de facto für sich entschieden. Er soll bei einem für August geplanten Parteitag offiziell nominiert werden und bei der Präsidentschaftswahl am 3. November Amtsinhaber Donald Trump von den Republikanern herausfordern. Reade hatte zunächst öffentlich den demokratischen Bewerber Bernie Sanders unterstützt, der zuletzt aufgab und sich hinter Biden stellte.
Die US-Wähler sind einer Umfrage zufolge hinsichtlich der Vorwürfe gegen Biden gespalten. Der am Mittwoch veröffentlichten Umfrage der Monmouth University zufolge halten 37 Prozent die Vorwürfe für wahrscheinlich wahr, 32 für eher nicht wahr, 31 Prozent waren unentschieden. Dieselbe Umfrage zeigt, dass die Unterstützung für Biden als möglicher Präsident von 48 Prozent im März auf jetzt 50 Prozent zunahm.