Israels rechtskonservativer Regierungschef Benjamin Netanyahu und sein oppositioneller Rivale Benny Gantz haben sich auf die Bildung einer Koalition geeinigt. Eine Vereinbarung für eine "nationale Notstandsregierung" werde unterzeichnet, teilten Netanyahus Likud-Partei und Gantz' Mitte-Bündnis Blau-Weiß am Montag mit. Die linksliberale oppositionelle Merez-Partei kritisierte die Einigung scharf.
Nach der Einigung warb Gantz auf Twitter für die neue Regierung. "Wir haben eine vierte Wahl verhindert. Wir werden die Demokratie schützen", schrieb der 60-Jährige. "Wir werden gegen das Coronavirus kämpfen und uns um jeden israelischen Bürger kümmern."
Nach Medienberichten ist in der Koalition eine Rotation im Amt des Ministerpräsidenten vorgesehen. Netanyahu soll als Erster eineinhalb Jahre lang das Amt bekleiden und dann von Gantz abgelöst werden. Dieser soll demnach zunächst Verteidigungsminister werden. Die umstrittene Einigung soll eine seit mehr als einem Jahr andauernde Pattsituation zwischen Netanyahus rechts-religiösem Block und dem Mitte-Links-Lager um Gantz beenden. Beide Seiten haben betont, angesichts der Corona-Krise sei eine Große Koalition notwendig.
Die Verhandlungen waren immer wieder ins Stocken geraten. Blau-Weiß hatte zuletzt gedroht, ohne eine Einigung werde man am Montag im Parlament ein Gesetz einbringen, das eine künftige Beauftragung Netanyahus mit der Regierungsbildung wegen einer Korruptionsanklage gegen ihn verhindern solle. Am Sonntagabend hatten in Tel Aviv Tausende Israelis gegen Netanyahu und aus ihrer Sicht anti-demokratische Maßnahmen unter anderem im Kampf gegen das Coronavirus demonstriert.
Ein zentraler Streitpunkt in den Koalitionsverhandlungen war laut Medienberichten die Forderung von Netanyahus Likud-Partei nach einem Vetorecht bei der Besetzung von Richtern. Netanyahu wollte sich demnach außerdem absichern für den Fall einer Entscheidung des Höchsten Gerichts, dass er wegen einer Korruptionsanklage nicht als Ministerpräsident oder Vize-Ministerpräsident amtieren kann. Er forderte den Angaben zufolge einen Mechanismus zur Umgehung eines solchen Urteils als Teil der Koalitionsvereinbarung.
Gantz' Mandat zur Regierungsbildung war nach einer Verlängerung am Mittwochabend ausgelaufen. Präsident Reuven Rivlin gab das Mandat daraufhin dem Parlament. Binnen drei Wochen konnte jeder Abgeordnete - auch Gantz und Netanjahu - versuchen, sich die Unterstützung von 61 der insgesamt 120 Parlamentarier zu sichern. Ohne Einigung hätte Israel zum vierten Mal seit April 2019 ein neues Parlament wählen müssen.
Im Streit über den Schritt von Gantz war sein Mitte-Bündnis Blau-Weiß zerbrochen. Er tritt daher nur mit dem verbleibenden Teil von Blau-Weiß in die Koalition ein. Das Restbündnis verfügt über 17 von 120 Mandaten im Parlament, während Netanyahus Likud mit 36 Sitzen stärkste Fraktion wurde.
Israel wird seit Ende 2018 von einer Übergangsregierung unter Netanyahu verwaltet. Am 2. März hatten die Bürger zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ein neues Parlament gewählt. Dabei gab es erneut keinen klaren Sieger, Gantz erhielt aber den Auftrag zur Regierungsbildung. Netanyahu rief unter Hinweis auf die Coronavirus-Krise mehrfach zur Bildung einer Notstandsregierung auf.
Gantz hatte bisher eine Koalition mit der Likud-Partei mit Netanyahu an der Spitze abgelehnt, weil dieser wegen Korruption in drei Fällen angeklagt ist. Mitte März sagte Gantz jedoch im Parlament mit Verweis auf die Corona-Krise, er werde sich mit aller Macht für die Bildung einer Koalition einsetzen. Kritiker werfen ihm seither vor, er habe sein zentrales Wahlkampfversprechen gebrochen.
Aus dem Mitte-Links-Lager hatte es scharfe Kritik an Gantz' Schritt gegeben. Die Merez-Partei schrieb am Montag bei Twitter: "Das ist keine Einheitsregierung. Das ist keine Notstandsregierung. Das ist eine Korruptionsregierung."
Unter dem Eindruck der Corona-Krise war der Beginn des Korruptionsprozesses gegen Netanyahu Mitte März verschoben worden. Er soll nun erst am 24. Mai beginnen. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug und Untreue sowie Bestechlichkeit vor. Es geht um den Verdacht der Beeinflussung von Medien, angeblich krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten. Der Regierungschef hat alle Vorwürfe zurückgewiesen.