Jakob Harkamp und Nikolaus Hufnagl, German Jordanian University, Amman, Jordanien
Vier Tage galt die Ausgangssperre in der jordanischen Hauptstadt Amman aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus. Vor die Haustür durfte in dieser Woche niemand. Am 25. März wurde die Ausgangssperre wieder gelockert, die beiden steirischen Studenten Jakob Harkamp und Nikolaus Hufnagl dürfen ihre Wohnung wieder verlassen, aber nur zwischen 10 und 18 Uhr. Dann ertönt eine Sirene als Signal, dass es Zeit ist, nach Hause zu gehen. "Wenn man danach noch draußen ist, wird man verhaftet", erzählen die beiden, die an der FH Joanneum International Management studieren. Als schlimm empfinden sie die Maßnahmen allerdings nicht. "Jedes Haus hier in Amman hat eine riesengroße Dachterasse, auf der wir Sport machen und frische Luft schnappen können, da stört es uns nicht, wenn wir nach einer bestimmten Uhrzeit nicht mehr raus dürfen", so Harkamp.
Knapp über 200 bestätigte Fälle gibt es derzeit in Jordanien, die Regierung will die Ausbreitung im Keim ersticken. "Allein in Amman leben um die vier Millionen Menschen, dass die Regierung so früh eingreift, ist deshalb sicher gut", finden die beiden. Heimkommen wollen die beiden erst einmal nicht. "Wir fühlen uns grundsätzlich sehr sicher hier und die Gefahr einer Ansteckung ist ziemlich gering", erklären die Studenten. In Kontakt mit der österreichischen Botschaft sind die beiden Steirer aber trotzdem. "Die Angestellten dort leisten einen guten Job und bemühen sich sehr. Auch die Kommunikation mit unserer Uni hier in Amman klappt perfekt, binnen kurzer Zeit wurde alles auf Online-Betrieb umgestellt, sodass die Lehrveranstaltungen für uns ganz normal weitergehen", sagt Hufnagl.
Kurzzeitig eskaliert ist die Lage nur am Tag vor dem kompletten Lockdown, erinnern sich die jungen Männer.
Die Regierung trifft hier Entscheidungen sehr schnell. Wir haben erst wenige Stunden vor dem Lockdown erfahren, dass wir eine Woche nicht mehr vor die Tür dürfen, da ging es in den Supermärkten natürlich rund. Wir haben nicht einmal mehr einen Einkaufswagen gefunden, weil die Leute alle panisch in letzter Minute noch einkaufen wollten.
Die Regierung versorgt die Jordanier derzeit regelmäßig mit Essenspaketen. "Da ist dann zum Beispiel Brot drin, oder Wasser und Hühnchen", erzählt Hufnagl. "Vor allem Wasser ist hier in Jordanien knapp, aus der Leitung darf man nicht trinken. Aber wir sind gut versorgt", fügt Harkamp hinzu, die beiden teilen sich eine Wohnung. "Ursprünglich waren wir zu dritt, aber unser Mitbewohner hat sich schon vorher entschieden, nach Hause zu fliegen." Die beiden hoffen, dass sich das Virus aufgrund der ohnehin schon strengen Einreiserichtlinien Jordaniens rasch eindämmen lässt. "Die Grenzen zu den Nachbarländern waren noch nie wirklich offen, das ist anders wie in Europa. Über den Landweg kommt man jetzt schwer aus Jordanien hinaus", wissen die beiden Studenten.
Bis Ende Juni dauert ihr Auslandssemester, danach wäre ein Flug nach Saudi Arabien und ein Zwischenstopp in Dubai auf dem Plan gestanden. "Das wird jetzt wahrscheinlich nicht gehen", so Harkamp. "Aber wir warten ab. Wir haben regelmäßigen Kontakt zu unseren Familien, uns geht es gut und wir fühlen uns sicher, das ist das Wichtigste."
Franziska, Amman, Jordanien
Auch Franziska, eine deutsche Studentin an der Uni Graz, ist in Amman und wird auch dort bleiben. Vor einigen Tagen ging ein Rückholflieger, aber sie entschied sich zu bleiben. Der Hauptgrund: Der Straßenhund Amal, den sie vor einigen Monaten adoptiert hat, konnte nicht mit in den Flieger. “Ich wusste nicht, ob ich sie dann jemals wieder gesehen hätte und ob ich sie hätte nachholen können. Deswegen war für mich die Entscheidung getroffen, als mir am Telefon von der Botschaft gesagt wurde, dass Tiere nicht mit in den Flieger können.”
Sie erinnert sich, dass am Freitag die absolute Ausgangssperre angekündigt wurde, die Samstagmorgen um 7 beginnen sollte. Auch sie entschied sich noch schnell einkaufen zu gehen. “Das Problem ist, dass wegen des Freitagsgebets nicht alles durchgehend geöffnet hat. Unser Gemüsehändler nebenan hatte gar nicht geöffnet, deswegen haben wir kein Gemüse mehr bekommen, sondern haben nur Nudeln und so einkaufen können. Das Panikkaufen ist total blöd, aber du bekommst natürlich Angst, wenn du nicht weißt, wann du das nächste Mal Essen bekommst. Das ist mittlerweile auch immer nicht so klar. Dann muss man doch ein bisschen hamstern, auch wenn man das eigentlich nicht gutheißt.”
Wasser bekommen Franziska und ihre WG normalerweise von ihrem Hausmeister, aber auch der hatte an diesem Freitag nichts geliefert bekommen, sodass Franziska und ihre Mitbewohnerinnen sich noch schnell Wasservorräte anlegen mussten. Samstag sind sie noch einmal früh aufgestanden, um einen Spaziergang mit der Hündin zu machen.
Wir waren nicht ganz um sieben zurück in der Wohnung, und dann wurden um genau sieben Uhr Sirenen angemacht, die durch die ganze Stadt gehallt haben. Das schafft schon eine beängstigende Atmosphäre.
Jetzt sind sie zu Fünft, inklusive der Hündin Amal, in der Wohnung. Zuerst war wohl nicht klar, ob die Ausgangssperre weitergeht, aber seit Mittwoch ist es nun wieder möglich Nahrung und Medikamente einzukaufen. Die Ausgangssperre gilt seit Mittwoch nur noch von 6 Uhr abends bis 10 Uhr morgens. Lediglich Brot wurde während der totalen Ausgangssperre von der Regierung in den Vierteln verteilt. Mittlerweile sei es auch so kalt, dass Gaß für Heizungen auch von der Regierung verteilt wird. Ob die Essenslieferungen die Ansteckungsgefahr minimieren ist zweifelhaft. “Ich habe Dienstag eine Stunde mit vielen anderen Leuten aus meinem Viertel bei dem Wagen angestanden, der das Brot verteilt. Alle haben sich um den Wagen geschart und hatten engen Kontakt."
Die Informationslage ist unklar und gerade für Ausländer ist es schwer genaue Informationen zu bekommen. Dienstag wurde Brot an die Haushalte ausgeliefert, drei Kilo für jeden Haushalt. Das habe, sagt Franziska, aber nur für 40% der Bevölkerung in Amman gereicht.
Man weiß einfach nicht genau, wann man das nächste Mal Essen bekommt und auch nicht was man bekommt. Reis, Zucker, eventuell Gemüse, Zigaretten... Es sind immer eher Gerüchte und auch die Prioritäten sind komisch gesetzt.
Die Ausgangssperre gilt auch für Tiere, sodass Franziska jetzt auch keine Spaziergänge mehr mit Amal machen kann. “Zum Glück haben wir einen Garten bei uns”, sagt Franziska. “Hier scheint es den Irrglauben zu geben, dass Tiere das Virus übertragen können. In den letzten Tagen vor der Ausgangssperre hatte ich das Gefühl, dass die Leute noch einmal mehr Abstand von mir und Amal gehalten haben.”
Wer die Ausgangssperre bricht, hat mit harten Strafen zu rechnen. Ein Jahr Gefängnis droht, wenn man sein Haus verlässt. Laut Berichten von CNN sind bereits 1,657 Personen verhaftet worden (Stand Montag, den 23.03.2020)
Trotz aller Einschränkungen versuchen Franziska und ihre Mitbewohnerinnen sich den Alltag so gut es geht zu strukturieren und Zeit beim gemeinsamen Essen und im Garten zu verbringen. “Man hat dann aber doch oft im Hinterkopf, dass man eigentlich eingesperrt ist und das ist kein schönes Gefühl.”