Strahlender Frühlingshimmel am Donnerstagvormittag in Rom. Im Park der Villa Pamphili im Westen der Ewigen Stadt begegnet man zu dieser Tageszeit normalerweise nur ein paar einsamen Joggern. An diesem Tag ist es anders: Eltern sind mit ihren Kindern unterwegs. Auf dem Spielplatz sieht man Mütter mit Kindern im Kindergartenalter. Auf einer Wiese spielt ein Vater mit seinem Sohn Fußball.
Italien hat in diesen Tagen schulfrei. Wegen des Coronavirus verfügte die Regierung am Mittwochabend die Schließung von Schulen und Universitäten im ganzen Land, zunächst bis zum 15. März. Italien gilt als Hauptinfektionsherd in der Europäischen Union. Bislang wurden 3089 Infektionen gemeldet, rund 150 Menschen starben.
Gino Pezzi kickt mit seinem zehnjährigen Sohn auf der Wiese. „Meine Frau ist im Büro, ich habe mir freigenommen“, sagt Pezzi. Sohn Simone scheint überglücklich: „Grande Conte!“, lobt er den Ministerpräsidenten überschwänglich für die Schulschließungen.
Ausnahmezustand
So etwas hat die Italienische Republik noch nicht erlebt. Unterrichtsausfall wegen einer Epidemie. Die Schüler sind glücklich, die Eltern besorgt. „Bis gestern ist alles normal gelaufen“, erzählt der Vater. Jetzt sei der Ausnahmezustand auch in der Hauptstadt Rom angekommen. Bislang waren die Schulen nur in der Lombardei, im Veneto und in der Emilia-Romagna geschlossen. „Wir sind jetzt vorsichtig“, sagt Pezzi. Er hält mindestens einen Meter Distanz zu anderen Menschen, wie von der Regierung in einem Dekret angeordnet. Selbst auf die in Italien üblichen Küsse und Umarmungen verzichtet die Familie.
Achteinhalb Millionen italienische Schüler sind nun zuhause und ihre Familien vor eine große Herausforderung gestellt. Die Regierung hat angekündigt, einem von beiden Elternteilen freie Tage genehmigen zu wollen. Vielerorts werden auch die Großeltern eingesetzt. Doch die sind oft bereits über 75 Jahre alt und sollen deshalb wegen Ansteckungsgefahr zuhause bleiben, wie die Regierung ebenfalls dekretierte. Sie bereitet sich auf die weitere Ausbreitung der Infektion vor. So soll die Bettenanzahl auf den Intensivstationen der Krankenhäuser um 50 Prozent erhöht werden, auf den pneumologischen und auf Infektionskrankheiten spezialisierten Stationen gar um 100 Prozent. Im Notfall sollen Patienten auf private Kliniken verteilt werden, um in den öffentlichen Strukturen Platz für Corona-Fälle zu schaffen.
Kollaps der Krankenhäuser verhindern
Diese Vorbereitungen stehen im Zusammenhang mit der Schließung von Schulen und Universitäten. „Das Gesundheitssystem kann noch so gut sein“, sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte dieser Tage. Es drohe die Gefahr eines Kollapses der Krankenhäuser. „Wenn sich die Krise exponentiell so weiter entwickelt, könnten wir Probleme mit den Plätzen auf Intensivstationen bekommen“, begründete er die Maßnahme.
Angesichts von 587 neuen Ansteckungen, die alleine zwischen Dienstag und Mittwoch gezählt wurden, geht es nun darum, die Infektionskette zu verlangsamen. Intern gab es allerdings keine Einstimmigkeit über die Notwendigkeit der Schulschließungen. Das wissenschaftliche Komitee der Regierung in Rom soll Zweifel am Nutzen der Maßnahme gehabt haben, hieß es.
Wie Forscher des Staatlichen Krankenhauses Mailand und des Sacco-Klinikums anhand der Gensequenzen des Sars-CoV-2-Erregers feststellten, war der Virus bereits seit Wochen in Italien in Umlauf und nicht erst seit Entdeckung der Infektionsherde in Lombardei und Veneto am 21. Februar. Dem Regierungsdekret zu Folge müssen Großveranstaltungen, Messen und Konferenzen in Italien abgesagt werden. Die Fußballliga Serie A trägt ihre Spiele bis zum 4. April ohne Publikum aus.
Torjubel ohne Umarmung
Die Auflagen für die Spieler sind kurios: So sollen sie sich beim Torjubel nicht umarmen, nicht aus denselben Flaschen trinken oder Trikots tauschen. Die Mikrofone der Berichterstatter sollen vor und nach Interviews sollen fachgerecht desinfiziert werden.
Im Veneto, wo in der Provinz Padua, in der Gemeinde Vo’ Euganeo einer der beiden Infektionsherde in Italien ausgemacht worden war, sind die Schulen bereits die zweite Woche geschlossen. Nun folgen weitere schullose Tage, ohne dass ein Ende abzusehen ist.
Gabriella Arditi ist Großmutter von zwei Enkeln, die nun in der Gemeinde Pianiga zwischen Padua und Venedig in ihrer Obhut sind. „Spazieren gehen, Fahrrad fahren, Ballspielen, einkaufen“, so beschreibt sie den Tagesablauf am Telefon. Es klingt so, als ob sie nichts gegen die baldige Wiederöffnung der Bildungsanstalten einzuwenden hätte.
unserem Korrespondenten Julius Müller-Meiningen aus Rom