Global 2000 warnt vor den Stromdieselgeneratoren im umstrittenen slowakischen AKW Mochovce. Diese seien "veraltet und in schlechtem Zustand". Deswegen ist nicht klar, ob im Fall eines Stromausfalls die Generatoren sofort anspringen und die Reaktoren gekühlt und geordnet runtergefahren werden. Und dann drohe ein "Super-GAU", warnt die Umweltschutzorganisation.
"Falls diese Notkühlsysteme ausfallen, passiert das, was vor knapp neun Jahren in Fukushima passiert ist", sagte Reinhard Uhrig, Atomsprecher von Global 2000, unlängst gegenüber österreichischen Journalisten in Wien: Die Brennelemente im Reaktorkern überhitzen und schmelzen, der Reaktorkern brenne sich durch die Schutzhülle - "und im schlimmsten Fall kommt es zur Verpuffung und Freisetzung von großen Mengen von radioaktiven Stoffen, einem Super-GAU".
Uhrig hatte Ende November des Vorjahres die Gelegenheit, die Dieselgeneratorenhalle des Reaktors 3, der bald in Betrieb gehen soll, zu besichtigen. Global 2000 bekam darüber hinaus von einem Whistleblower Fotos von Mai 2018, die zeigen sollen, dass einer der Generatoren unzureichend abgedeckt sei und in einer Wasserlacke stehe, weil die Decke der Halle löchrig sei. Außerdem verfügt Global 2000 über ein Video von einem Test der Notstrom-Dieselgeneratoren, das das Versagen dieser zeigt.
Der spanische Maschinenbauingenieur Mario Zadra, der bis April 2018 an der Baustelle in Mochovce gearbeitet hatte, bestätigte Unregelmäßigkeiten bei den Generatoren und Probleme beim Sicherheitsmanagement. Er warnte, wenn die Anlage im Notfall nicht innerhalb kürzester Zeit gekühlt und heruntergefahren werde, sei sie "komplett unsicher". "Die Slowaken sind verrückt", sagte der Techniker, der schon an mehreren AKWs in verschiedenen Ländern tätig war, via Skype aus Spanien.
Auch ein österreichischer Experte, der sich Mess-Daten der in Mochovce installierten Generatoren angesehen hat, sieht Mängel. Die Daten bei der Maschine 3 seien "wenig zufriedenstellend", sagte das Mitglied des Fachausschusses Rotierende elektrische Maschinen des Österreichischen Verbands für Elektrotechnik, das anonym bleiben wollte. Der Experte empfahl eine "eingehende Inspektion". Die Generatoren, die zwar bereits 30 Jahre alt seien, könnten durchaus eine Lebensdauer von 40 bis 50 Jahren haben, wenn die Herstellerempfehlungen etwa hinsichtlich Revisionsintervallen und Inspektionen eingehalten würden. Doch genau daran hegt Global 2000 unter Verweis auf entsprechende Betreiberangaben Zweifel.
Alle Zweifel bezüglich der Sicherheit müssten ausgeräumt werden, bevor der 3. Reaktor in Betrieb geht, forderte der slowakische Oppositionspolitiker Karol Galek. Er berichtete, dass ihm im Dezember ein anonymer Brief zugespielt worden sei, der "Versagen des Managements" beweisen soll. In dem Schreiben, das der APA vorliegt, ist von mangelhaften Kabeln, beschädigten Kühltürmen und Druckausübung durch die Bauleitung die Rede. Galek hat den Brief der Justiz weitergeleitet und es werde ermittelt.
Der Politiker der neoliberalen Partei SaS hat Vertrauen in die slowakische Atomaufsichtsbehörde, die seiner Meinung nach keine Genehmigung erteilen werde, solange es Sicherheitsmängel gebe. Galek betonte im Hinblick auf die Parlamentswahlen am Samstag außerdem, dass die meisten politischen Parteien in der Slowakei in Zukunft keine weiteren neuen Atomreaktoren mehr haben wollten. "Wir haben billigere Möglichkeiten. Nuklearenergie war immer mit Korruption und Skandalen verbunden."
Die Inbetriebnahme der neuen Reaktorblöcke 3 und 4 des rund 100 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernten AKW Mochovce war ursprünglich für 2012 und 2013 geplant und wurde mehrmals verschoben. Im Mai räumte die Betreibergesellschaft Slowakische Energiewerke (SE) ein, dass sich der Fertigbau der neuen Blöcke auch wegen Einwänden aus Österreich möglicherweise bis März 2020 verzögern werde. Österreich ist gegen das Projekt. Die türkis-grüne Koalition setzt sich gemäß Regierungsprogramm "entschieden und mit Vehemenz gegen die Inbetriebnahme der slowakischen Reaktoren Mochovce 3 und 4 und für eine erneute UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung, Anm.) ein."
Mehrere ehemalige Arbeiter und Ingenieure hatten sich auch schon zuvor an Global 2000 gewandt und vor gravierenden Mängeln am Bauprojekt gewarnt. Von chaotischen Arbeitsabläufen und Druck des "inkompetenten" italienischen Bauleitungsmanagements war die Rede. Die Slowakischen Energiewerke sprachen daraufhin von "Panikmache". Und die slowakische Regierung erklärte, eine Inbetriebnahme werde es nur bei völliger Gewissheit geben, dass der neue Reaktorblock "keinerlei Sicherheitsrisiko für die Bürger der Slowakei oder der Nachbarländer darstellt".
Internationale Experten hatten im vergangenen Herbst unter Regie der internationalen Atomenergiebehörde IAEO (IAEA) eine mehrwöchige Überprüfung durchgeführt. Teamleiter Fuming Jiang sah danach Bemühungen bei den Betreibern um die Sicherheit des AKW. Das Team gab aber auch Empfehlungen und Vorschläge, um die Betriebssicherheit der Anlage zu verbessern. Laut Uhrig soll der Bericht im Frühling veröffentlicht werden.