Die Bedingungen in dem Londoner Gericht, in dem derzeit über eine Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA verhandelt wird, sind aus Sicht der beiden deutschen Parlamentarier Heike Hänsel und Sevim Dagdelen (beide Linke) "unhaltbar".
Wegen erheblicher Tonprobleme habe Assange den Auftakt der Hauptanhörung "kaum mitverfolgen" können, monierten Hänsel und Dagdelen, die als Prozessbeobachter in London dabei sind, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Dies sei "nicht verantwortbar für einen Rechtsstaat", sagte Dagdelen.
Entsetzt
Beide Bundestags-Abgeordnete zeigten sich entsetzt darüber, dass Assange während der Anhörungen hinter einer dicken Glaswand sitzen muss. "Er ist kein Schwerverbrecher, kein Terrorist, er ist angeklagt wegen seiner journalistischen Arbeit", sagte Dagdelen.
Die Fraktionskolleginnen bekräftigten ihre Forderung nach einer Freilassung Assanges gegen Kaution, damit er "genesen" und sich in dem Auslieferungsverfahren "angemessen verteidigen" könne. Der 48-jährige Australier sei schon durch die Unterbringung in dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten Londons und seine jahrelange Isolation gestraft. Er sei stark depressiv, und es bestehe Suizidgefahr. "Deshalb muss er raus aus dem Hochsicherheitsgefängnis", verlangte die Linken-Außenpolitikerin Dagdelen.
"Wirkt apathisch"
"Rein äußerlich" mache Assange "einen besseren Eindruck" als noch im Oktober, stimmten beide überein. Er wirke jedoch "apathisch", sagte Hänsel. Assange sei "eine ganz andere Person als die, die wir 2018 in der ecuadorianischen Botschaft getroffen haben". Damals habe er "noch einen kämpferischen Eindruck gemacht", obwohl er bereits gesundheitlich angeschlagen war. "Er wirkt irgendwie schon sehr gebrochen", sagte Dagdelen, die Assange nach eigenen Angaben schon lange persönlich kennt.
Hürden bei Gericht
Das Gericht mache es auch den internationalen Prozessbeobachtern schwer. Schon am Eingang würden "Hürden aufgebaut", monierte Hänsel. Der Gerichtssaal sei mit 28 Plätzen sehr klein, sechs davon seien für Angehörige reserviert. "Die Räumlichkeiten sind für ein internationales Verfahren nicht angemessen", sagte die stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende Hänsel.
Die US-Seite stempele Assange als "gewöhnlichen Kriminellen" ab, "weil er nicht aus politischen Gründen ausgeliefert werden darf", erläuterte Hänsel mit Verweis auf das Auslieferungsabkommen zwischen den USA und Großbritannien. Dies sei "ein sehr plumper Versuch".
Der US-Prozessbevollmächtigte habe vor Gericht mehrfach betont, dass es nicht um die von Wikileaks offen gelegten Kriegsverbrechen gehe, sondern ausschließlich um das Hacken von Regierungsrechnern und die Gefährdung anderer Menschen. Dafür hätten die USA bisher aber "keinerlei Beweise geliefert", betonte Hänsel.
"Beweislage zu dünn"
Ihr Eindruck sei, dass die USA mit der Argumentation, dass es um einen rein kriminellen Akt gehe, "nicht durchkommen. Die Beweislage ist einfach zu dünn."
Assange kämpft seit Montag vor dem Londoner Gericht gegen seine Auslieferung an die USA. Dort drohen ihm im Falle einer Verurteilung 175 Jahre Haft. In dieser Woche finden die ersten Anhörungen statt; im Mai wird das Verfahren fortgesetzt. Dann sollen Zeugen vorgeladen werden.
Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte 2010 und 2011 Hunderttausende geheime Papiere vor allem zum Irak-Krieg ins Internet gestellt. Sie enthielten hochbrisante Informationen über die US-Einsätze in dem Land, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen.
Verschwörung, Spionage
Die USA beschuldigten Assange zunächst nur der Verschwörung zum Angriff auf Regierungscomputer. Im Mai 2019 erhob die US-Justiz wegen Verstoßes gegen Anti-Spionage-Gesetze Anklage in 17 weiteren Punkten.
Damit weisen die US-Ermittler die Argumentation von Assange zurück, dass es sich bei Wikileaks um eine journalistische Publikation handle und die dortigen Veröffentlichungen durch die Pressefreiheit geschützt seien.