Es ist ein sonniger Sonntagnachmittag in Udine im Herzen von Friaul. Die Temperaturen sind fast schon frühlingshaft. Aber die Stadt wirkt ein wenig, als läge sie noch im Winterschlaf. Die Parkplatzsuche ist ausnahmsweise kein Problem. Auf der Terrasse der Casa della Contadinanza, einem Restaurant nahe dem Castello mit Blick über die ganze Stadt, ist ein einziger Tisch besetzt. „Ja, das ist ungewöhnlich um diese Zeit“, bestätigt eine Mitarbeiterin, „vermutlich bleiben die Leute aus Angst vor dem Coronavirus daheim.“
Tatsächlich rät man den Leuten in Friaul-Julisch Venetien dieser Tage, wenn möglich, zu Hause zu bleiben. Schulen und Universitätsinstitute bleiben in dieser Woche geschlossen. Am Samstag hat Präsident Massimiliano Fedriga den Notstand über die Region verhängt.
Sie seien tatsächlich verunsichert, sagen die wenigen Menschen, die sich auf der Piazza del Castello aufhalten. „Man kennt ja die Ausmaße nicht. Die Gefahr ist nicht einzuschätzen.“
"Information ist wichtig"
Andrea, der in Udine lebt, ist ein wenig optimistischer. „Die Grippe kommt auch jedes Jahr und wir überleben sie“, gibt er zu bedenken: „Sicher, das Coronavirus könnte gefährlicher sein. Wichtig ist, dass wir Informationen bekommen.“ Das sei momentan auch der Fall.
Gähnende Leere herrscht auch in der Gelateria Luna in der Via Cavour. Luna, die das Geschäft betreibt, führt das eindeutig auf die Angst vor dem Virus zurück. Die Nachrichtenlage ändere sich ständig, sagt ihre Arbeitskollegin. „Es gibt jetzt auch schon Verdachtsfälle in Udine. Mein Bruder hat gesagt, ich soll nach Hause kommen.“ Sie sei vorher in einem Einkaufszentrum gewesen, erzählt Luna, „auch das war leer“.
Etwas lebendiger geht es auf der Piazza Giacomo Matteotti zu. Dort wird der Kinderkarneval gefeiert, vielleicht nicht so ausgelassen wie sonst, denn der von Arkaden und historischen Gebäuden gesäumte Platz ist nur halb gefüllt. Sie verstehe die Aufregung nicht, sagt Manila und sieht ihrer kleinen Tochter Ambra dabei zu, wie sie Konfetti wirft. „Das Virus ist gefährlich für sehr alte oder gesundheitlich belastete Menschen. Für alle anderen ist es heilbar. Wir haben keine Angst“, betont sie.
Angst braucht man auch nicht zu haben“, erklärt der Rotkreuz-SanitäterAndrea Buiani. „Angst nicht, Vorsicht ist auf jeden Fall geboten.“ Bei Rettungseinsätzen schütze er sich auch sonst. „Den Leuten raten wir jetzt zu verstärkten Hygienemaßnahmen.“
Die Gefahr ist nähergerückt
Vor ein paar Tagen dachten wir noch, es handle sich um eine Gefahr, die ganz weit weg ist, und waren nicht weiter beunruhigt“, überlegt sein Rotkreuz-Kollege Gianluca, „aber Padua ist ganz in unserer Nähe. Deshalb sind jetzt viele Leute verunsichert.“
In Sorge seien viele tatsächlich, erzählt Cristiana, die in der Farmacia Aquila Nera arbeitet, einer Apotheke, in der die Stimmung am Samstag ein wenig apokalyptisch war. „Vorher haben bei uns vor allem Chinesen Gesichtsmasken gekauft. Kaum wurden die Fälle in Italien bekannt, haben sich die Udineser mit den Masken eingedeckt. Im Handumdrehen waren sie ausverkauft.“ Wann es denn wieder welche geben werde, fragt ein älterer Herr besorgt. „Das wissen wir leider nicht“, antwortet die Apothekerin.
Vor dem Grosmi Caffè auf der Piazza Giacomo Matteotti unterhalten sich Silvana aus Pordenone und Mojca aus Laibach, beide Tanztherapeutinnen, über das Thema. „Die Medien nähren die Angst“, sagt Silvana, „traurig ist das. Viele erleiden große Verluste wegen des Virus und der Art, wie damit umgegangen wird. Aber es gibt sicher auch welche, die davon profitieren. Mich würde interessieren, wer das ist.“
Studierende müssen abwarten
Unklar ist die Lage für Studierende der Università degli Studi di Udine. „Wir haben jetzt keine Vorlesungen“, erzählen Jacopo und Andrea, beide Studenten der Literaturwissenschaft. „Wir können aber auch keine Prüfungen ablegen. Auch die nicht, die Voraussetzungen für Praktika oder andere Lehrveranstaltungen sind. Und niemand weiß, wie das alles weitergeht.“
Kaum ein deutsches Wort ist an diesem Sonntag im Zentrum von Udine zu hören. Auch die (geöffneten) Einkaufszentren in Tavagnacco und Tricesimo sind spärlich besucht. (Hamsterkäufe bleiben in Friaul vorerst anscheinend aus.)
Einige Autos mit österreichischen Kennzeichen säumen am Abend die Straßen von Tarvis. „Aber Tarvis ist doch nicht Friaul“, meint ein Kärntner.
Irgendwie schon. Und irgendwie grenzt Friaul an Österreich.
Elisabeth Peutz