Geröllwüsten, wo früher feiner Sand war. Zudem dicke Seegras- und Algenteppiche, die das wütende Meer ans Ufer warf. Vier Wochen nach einem der schlimmsten Unwetter der mallorquinischen Wettergeschichte sieht es an vielen Playas auf der spanischen Urlaubsinsel immer noch trostlos aus. Vor allem Mallorcas Ostküste ist betroffen, die wegen ihrer vielen paradiesischen Strände und romantischen Badebuchten besonders beliebt ist. Doch von der bekannten Postkartenidylle ist vielerorts wenig zu sehen.
"Der Strand in der Bucht Cala Millor ist praktisch verschwunden", klagt Natalia Troya, Bürgermeisterin der Urlaubsgemeinde Son Servera. Der frühere Traumstrand, nahezu zwei Kilometer lang, ist derzeit nur noch ein Schatten seiner selbst. An den Küsten der Nachbarorte sieht es nicht viel besser aus. Capdepera, Manacor, Sant Llorenç, Santanyí, Felanitx und Pollença: Die Rathäuser beklagen Millionenschäden. Das Sturmtief "Gloria" hatte im Jänner tagelang die Insel fest im Griff, peitschte riesige Wellen im Meer auf und trieb sie mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 100 Stundenkilometern auf die Ostküste zu. Eine gewaltige Flut überrollte die Strände, verschluckte tausende Tonnen Sand, zerschlug Uferpromenaden, Schutzmauern und Hausfassaden.
Zwar wird überall unter Hochdruck gearbeitet, um Strände zu säubern und Schäden auszubessern: Doch ein Problem können die Gemeinden nicht lösen. Es fehlen ihnen hunderttausende Tonnen an Sand, damit ihre Playas wieder so schön wie in den Ferienprospekten aussehen. Die Aufschüttung riesiger Sandmengen ist logistisch kompliziert, ökologisch umstritten und muss beim staatlichen Küstenamt beantragt werden – das kann dauern.
Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez zeigt sich bei einem Besuch Mallorcas erschüttert. Der Premier verspricht finanzielle Hilfe. Er erinnert aber auch daran, dass "Gloria" eine angekündigte Katastrophe gewesen sei: "Der Klimawandel verschlimmert diese Wetterphänomene." Spanien sei wegen seiner südlichen Lage stärker als andere EU-Länder vom Klimawandel bedroht. "Wir stehen einem Feind gegenüber, der nun ständig an die Tür klopft", sinniert auch José Marcial Rodríguez Díaz. Er ist Chef der Hotelvereinigung in der Bucht Cala Millor, wo es rund 35.000 Gästebetten gibt. Früher habe es vielleicht alle zehn Jahre ein Sturmtief über die Insel gegeben, sagt Rodríguez dem Branchenmagazin Hosteltur. Inzwischen werde Mallorca jedes Jahr von heftigen Unwettern heimgesucht.
Diese spürbaren Klimaveränderungen nähren eine weitere Debatte, welche der Urlaubsindustrie überhaupt nicht gefällt: Macht es angesichts steigender Meeresspiegel und immer häufigeren Sturmtiefs überhaupt Sinn, mit Millionenaufwand Strände und Promenaden gegen das vorrückende Meer zu verteidigen? Eine Frage, die nach dem zerstörerischen Wüten von "Gloria" auch Mallorcas Umweltminister Miquel Mir öffentlich stellt. "Das sollte uns zum gemeinsamen Nachdenken über die Planung unsere Küstenlinie bringen." Es sei langfristig keine Lösung, die Schäden immer wieder zu reparieren. Es müssten auch Lehren aus dem Geschehenen gezogen werden.
Doch auch die Mitte-links-Regierung der Insel drängt zunächst einmal auf schnelle Sanierung der Playas. Im April rollt mit den Osterferien die erste große Urlauberwelle an. "Hoffentlich sind die Strände bis dahin wiederhergestellt", sagt fast flehend Maria Frontera, Vorsitzende der mallorquinischen Hotelvereinigung.
Die leidenden Strände sind dabei nicht die einzige Hiobsbotschaft für die Branche. Schon vor dem Unwetter "Gloria" liefen die Buchungen für 2020 nur schleppend an. Die Hoteliers fürchten, dass die Zahl ausländischer Touristen, die bereits 2019 leicht zurückging, weiter einknicken könnte. 2019 kamen drei Prozent weniger "Alemanes", bisher die treusten Mallorca-Gäste – ausgerechnet die Mallorca-Liebe der Deutschen scheint zu erkalten. Vorzeichen für eine schwierige Saison 2020?
Ralph Schulze