Die deutschen Versicherer müssen für die Folgen des Orkans "Sabine" nach Expertenschätzungen mit mehr als einer halben Milliarde Euro geradestehen. Die Versicherungsmathematiker der Kölner Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) veranschlagten den versicherten Schaden am Dienstag auf rund 600 Millionen Euro.
Der Wintersturm war am Sonntag und Montag mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 100 Kilometern pro Stunde über Deutschland hinweggezogen. Allein an Gebäuden seien 500.000 Schäden zu erwarten, berichtete MSK-Aktuar Onnen Siems.
Mit dem Orkan "Kyrill" nicht zu vergleichen
Mit dem Orkan "Kyrill" aus dem Jahr 2007, der die Branche nach heutigen Werten rund drei Milliarden Euro gekostet hatte, sei er aber nicht zu vergleichen, sagte Siems. "'Sabine' wird für die Versicherer ein mittelstarkes Ereignis, wie es alle drei bis vier Jahre vorkommt." Die Sturmsaison sei für diesen Winter aber noch nicht zu Ende.
Im südlichen Teil Deutschlands meldeten die Einsatzstellen der Polizei in der Nacht auf Dienstag noch eine Vielzahl umgestürzter Bäume. Die Bahn wollte ihren Fernverkehr am Dienstag in der Früh ohne größere Einschränkungen wieder aufnehmen - am Vormittag seien einzelne Probleme aber nicht zu vermeiden, hieß es.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnete damit, dass es in den nächsten Tagen stürmisch bleibt. Am Sonntag und Montag wurden viele Menschen bei sturmbedingten Unfällen verletzt - allein im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen waren es laut Landesinnenministerium 13 Menschen.
Drittes Todesopfer von "Sabine" in Polen
In Polen hat das Orkantief "Sabine" ein drittes Menschenleben gefordert. Nach einem Unglück im Skiressort Bukowina Tatrzanska mit zwei Toten erlag am Montagabend auch eine 21-jährige Frau ihren Verletzungen, wie das Krankenhaus in Nowy Targ laut Nachrichtenagentur PAP mitteilte.
Bei starkem Wind waren am Montagmorgen Dachteile von einem Skiverleih gefallen. Eine 52-jährige Frau und ihre 15-jährige Tochter wurden dabei getötet. Die 21-jährige ältere Tochter der Frau sowie ein 16-Jähriger erlitten Kopfverletzungen und wurden in ein Krankenhaus gebracht.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt zu den Ursachen des Unglücks. In einem ersten Statement hieß es, der Skiverleih sei in einer provisorischen Konstruktion untergebracht gewesen, die aus einem mit rohen Brettern verschalten Lkw-Anhänger bestanden habe. Das Blechdach sei nur unzureichend an dem Hänger befestigt gewesen. Bukowina Tatrzanska im Süden Polens ist ein beliebtes Ziel für den Skisport und Ausgangspunkt für Wanderungen in der Hohen Tatra, einem Teilgebirge der Karpaten an der Grenze zur Slowakei.
"Ciara/Sabine" erreichte Mittelmeerinsel Korsika
Der Sturm "Ciara", der in Deutschland "Sabine" heißt (und in Österreich eigentlich gar keinen Namen hat), hat im äußersten Norden der Mittelmeerinsel Korsika in Böen ein Tempo von 219 Stundenkilometern erreicht. Das liege leicht unter dem Rekord vom Jänner 2018, als am Cap Corse 225 Stundenkilometer erreicht wurden, berichtete der Wetterdienst Meteo France am Dienstag.
Der Sturm löste auf der zu Frankreich gehörenden Ferieninsel erhebliche Verkehrsprobleme aus - betroffen waren Fährverbindungen zum Festland und Flüge, wie der Radionachrichtensender Franceinfo berichtete. Zudem loderten Feuer an mehreren Orten - südlich der Hafenstadt Bastia brannte es auf einer Fläche von mehr als zwei Quadratkilometern.
In Amsterdam erneut rund 220 Flüge annulliert
Auch am Tag nach dem Sturm "Ciara", der in Deutschland "Sabine" heißt, mussten am Amsterdamer Flughafen Schiphol wieder rund 220 Flüge annulliert werden. Wegen starken Windes und heftiger Böen sei die Kapazität der Start- und Landebahnen eingeschränkt, teilte der Flughafen am Montag mit.
Am Vortag waren 240 zumeist innereuropäische Flüge gestrichen worden. Der Sturm richtete in den Niederlanden nur begrenzten Schaden an - meist ging es um umgestürzte Bäume und beschädigte Dächer.
Blackout in Südtirol wegen "Sabine"
Wegen eines Sturmschadens an den Leitungen sind weite Teile Südtirols am Dienstag ohne Strom gewesen. Der Auslöser für zwei kurze Blackouts ab etwa 11.00 Uhr waren herumfliegende Äste oder Bäume, die eine der Haupttrassen für den Versorger Edyna beschädigten, wie Generaldirektor Luis Amort in Bozen sagte.
Die zweite Hauptleitung sei zu diesem Zeitpunkt wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb gewesen. 150.000 bis 200.000 Abnehmer waren betroffen, wie Amort ergänzte. Bei Polizei und Behörden gingen viele Notrufe ein. Teils seien Ampeln ausgefallen, schrieb die Nachrichtenagentur Ansa.
In der norditalienischen Provinz leben rund 530.000 Menschen. Südtirol mit der Landeshauptstadt Bozen ist eine auch bei Deutschen beliebte Urlaubsregion. Der Sturm "Ciara" (auch "Sabine" genannt), hatte am Dienstag auch die italienischen Alpenregionen erreicht.