Im Kampf gegen das sich weiterhin rasant ausbreitende Coronavirus haben China und das Ausland ihre Maßnahmen nochmals verschärft. Die US-Regierung gab eine Reisewarnung für China aus, Singapur und die Mongolei wollen keine Chinesen oder Reisende aus China mehr ins Land lassen. Auch Österreicherhöhte seine Sicherheitsstufe und gab eine partielle Reisewarnung für die Krisenregion in China aus.
Seinerseits kündigte Peking an, alle ins Ausland gereisten Bewohner der besonders betroffenen Provinz zurückzuholen. Die deutsche Bundesregierung schickte am Freitag eine Bundeswehrmaschine nach Wuhan, um deutsche Staatsbürger auszufliegen. Sieben Österreicher, die sich in der Krisenprovinz Hubei aufhalten, sollen via Frankreich am Sonntag nach Österreich zurückkehren.
10.000 Infektionen
Den Behörden in Peking zufolge infizierten sich bis Freitag fast 10.000 Menschen auf dem chinesischen Festland mit dem neuartigen Erreger 2019-nCoV, hinzu kommen mehr als hundert Fälle in mehr als 20 weiteren Ländern, darunter erstmals auch in Großbritannien und Russland.
Deutschland meldete am Freitag einen sechsten Fall: Dabei handelt es sich um das Kind eines der fünf Mitarbeiter des Automobilzulieferers Webasto aus dem Landkreis Starnberg, die sich bei einer aus China zu einer Schulung angereisten Kollegin angesteckt hatten.
Am Abend erhöhte sich dann die Zahl neuerlich:
Bei Webastosind zwei weitere Mitarbeiter an dem neuartigen Coronavirus erkrankt. Damit steigt die Zahl der Betroffenen bei dem Autozulieferer auf sieben. Die neuen Fälle hätten in der vergangenen Woche engen Kontakt zu den bereits infizierten Kollegen gehabt, teilte das Unternehmen am späten Freitagabend mit.
Insgesamt seien nun 130 Mitarbeiter getestet worden, 122 seien nicht infiziert, einige Tests stünden noch aus. "Die zwei jetzt positiv Getesteten befinden sich in stationärer Behandlung in Kliniken im Landkreis Traunstein beziehungsweise Shanghai", erklärte Vorstandsvorsitzender Holger Engelmann.
Die Zentrale von Webasto im bayerischen Stockdorf bleibt den Angaben zufolge bis einschließlich Montag geschlossen. Das Unternehmen stellt sich aktuell darauf ein, dass die Mitarbeiter am Dienstag wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren können. Das sei nach Angaben der Behörden unbedenklich.
Bei der tödlichen SARS-Epidemie in den Jahren 2002 und 2003 hatten sich weltweit über 8.000 Menschen infiziert, rund 800 starben damals. An dem neuartigen Coronavirus starben bisher offiziell 213 Patienten, allesamt in China. Mehr als 100.000 Menschen stehen in China zudem wegen möglicher Symptome der Lungenkrankheit unter ärztlicher Beobachtung.
Zahlen dürften höher sein
Laut einer Studie der Universität Hongkong dürften die Zahlen allerdings bedeutend höher liegen. Allein in Wuhan könnten sich bis 25. Jänner rund 75.800 Personen mit dem neuen Coronavirus infiziert haben. Die Epidemie könnte sich bereits in mehreren chinesischen Großstädten ausgebreitet haben. "Große Städte in Übersee mit engen Verbindungen zu China könnten Outbreak-Epizentren werden", stellte Joseph Wu von der Universität Hongkong fest. Gefährlich sei das, weil es häufig zur Übertragung durch Personen noch ohne Symptome kommt.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rief am Donnerstagabend den internationalen Gesundheitsnotstand aus, was eine stärkere länderübergreifende Koordination ermöglichen soll. Zur Begründung wies sie auf die Ausbreitung des Erregers außerhalb der Volksrepublik hin: "Größte Sorge" sei, dass sich das Virus auf Länder mit weniger gut ausgestatteten Gesundheitssystemen ausbreite. Die Entscheidung sei kein "Misstrauensvotum" gegen China, betonte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die Einschränkungen von Reisen und Handel seien nicht nötig.
Regierungen, Behörden und Unternehmen gehen jedoch schon weiter
Das US-Außenministerium rät nun von Reisen in die Volksrepublik ebenso dringlich ab wie von Reisen nach Afghanistan, in den Irak und in den Iran. Es appellierte an Bürger, die sich derzeit in China aufhalten, vorzeitig auszureisen. Immer mehr Staaten empfehlen, von nicht notwendigen Reisen nach China abzusehen.
Dazu gehört auch Österreich: Das Außenamt in Wien empfahl, nicht notwendige Reisen nach China zu verschieben, und setzte die Sicherheitsstufe 4 (hohes Sicherheitsrisiko) hinauf. Für die Provinz Hubei, von der der Ausbruch des Coronavirus ausgeht, wurde eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) ausgesprochen.
Nach der Bestätigung von zwei ersten Infektionsfällen rief Italien den nationalen Notstand aus. Die Maßnahme erlaubt die rasche Bereitstellung von Geldern und besondere Schutzmaßnahmen gegen eine Weiterverbreitung des Virus. In Indonesien wurden mehr als 40.000 Arbeiter eines unter chinesischer Kontrolle stehenden Industriekomplexes vorsorglich unter Quarantäne gestellt.
Keinen bestätigten Fall in Österreich
In Österreich gibt es bisher keinen bestätigten Fall: Für einen siebenten Verdachtsfall in Wien gab es ebenso eine Entwarnung wie für einen Verdachtsfall in Kärnten. Offen war damit noch ein Verdachtsfall in Salzburg, für den das Ergebnis der Tests in der Nacht auf Samstag oder im Laufe des morgigen Tages erwartet wurde.
China, das bereits mit drastischen Abschottungsmaßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung des Virus ankämpft, kündigte an, ins Ausland gereiste Bürger aus Hubei "so rasch wie möglich" mit Chartermaschinen zurück in die Provinz zu fliegen. Als Grund nannte eine Sprecherin des Außenministeriums "praktische Schwierigkeiten", mit denen Bürger aus Hubei und besonders der dortigen Millionenmetropole Wuhan im Ausland konfrontiert seien.
Evakuierungen
Unterdessen gehen die Evakuierungen der Ausländer aus Wuhan weiter: Eine Maschine mit rund 200 Franzosen aus Wuhan landete am Freitag in Südfrankreich, einer der Passagiere wurde mit Symptomen der Krankheit in eine Klinik gebracht. Eine zweite Maschine mit 83 Briten und 27 anderen Ausländern landete kurze Zeit später auf einer britischen Luftwaffenbasis 120 Kilometer westlich von London.
Sieben Österreicher, die sich in der Region Hubei aufhalten, sollen am Samstagabend mit einer weiteren französischen Maschine aus Wuhan ausgeflogen werden. Der Plan lautet laut Außenministeriumssprecher Peter Guschelbauer, dass sie am Sonntag um die Mittagszeit in Südfrankreich landen und unmittelbar danach in eine C130 des österreichischen Bundesheeres umsteigen.
Die Heeresmaschine soll sie nach Österreich bringen, wo sie im Laufe des Sonntagnachmittages landen sollen. Wo das genau sein wird, ist laut dem Sprecher des Verteidigungsministeriums, Oberst Michael Bauer, noch offen. Guschelbauer betonte, dass sich der Zeitplan noch um mehrere Stunden verschieben kann. Die Österreicher, die nur nach einem negativen Test auf das Coronavirus in Wuhan in den Flieger steigen dürfen, werden von einem Mitarbeiter der Botschaft in Peking begleitet. Sobald sie österreichischen Boden betreten, sind die regionalen Gesundheitsbehörden für sie zuständig. Welche weiteren Maßnahmen dann getroffen werden, war am Freitag noch unklar.
Nach der Ausrufung der "gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite" durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ergeben sich für Österreich "vorerst keine unmittelbaren Konsequenzen", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Zugleich kündigte er nach der Verhängung der Anzeigenpflicht für Fälle von Coronavirus eine weitere Verordnung für Samstag an, "wonach es möglich ist, nicht nur kranke oder krankheitsverdächtige Personen, sondern im konkreten Ernstfall bei Bedarf auch schon ansteckungsverdächtige Personen, die noch keine Krankheitssymptome zeigen, im Umgang mit anderen Personen zu beschränken".