Die Reaktion der Kinder nach ihrer Entdeckung auf dem Bauernhof in Ruinerwold den Niederlanden verwundert Psychiaterin Sigrun Rossmanith im APA-Gespräch nicht, "da sie keine Erkenntnis darüber haben, was ihnen widerfahren ist". Sie hätten ein "Festhalten im engsten Rahmen" und die ständige Konfrontation mit der Angst erlebt, hätten sie sich wegbegeben: "Natürlich bleibt man irgendwann freiwillig drinnen".
Dass dies der Fall war, erläuterte die Staatsanwältin Diana Roggen bei der Anhörung am Dienstag vor dem Gericht in Assen: "Die Kinder gaben ihre Namen an und erklärten, dass sie freiwillig auf dem Bauernhof geblieben seien und dort bleiben wollten." Die fehlende Erkenntnis würde auch erklären, so Rossmanith, warum die zwei Angeklagten laut Medienberichten von ihnen bisher nicht belastet worden seien. Der Niederländer Gerrit Jan van D. (67) soll sechs seiner Kinder neun Jahre auf dem Hof in Ruinerwold festgehalten und misshandelt haben. Ihm und dem Österreicher Josef B. (58), er war der Hofmieter, wird unter anderem das Delikt der Freiheitsberaubung vorgeworfen.
"Böse Geister"
Der Vater wollte die Kinder laut Anklage von der Welt fernhalten und drohte ihnen bei Kontakt mit der Außenwelt mit "bösen Geistern", laut Roggen habe die Kinder so neun Jahre lang "psychisch gefangen gehalten". Ob Jan van D. psychisch krank sei, kann Rossmanith nicht beantworten: "Es gibt noch keine psychiatrischen Aussagen, aber Tatsache ist, dass er sich als Führer dieser kleinen Gruppe verhalten hat", stellt die Wiener Gerichtssachverständige fest. Und er habe die anderen "ganz selbstverständlich für seine eigenen Bedürfnisse funktionalisiert". Der 67-Jährige habe so gewissermaßen um sich sein eigenes Imperium aufgebaut und seine Kinder als eine Art Leibeigene gehalten.
Bisher nur Befehlsempfänger
Eine Prognose für die Zukunft der Kinder sei natürlich nicht möglich, klar sei, dass sie jetzt eine Struktur und Halt benötigen, "die können allein noch nicht stehen und haben bisher nur als Befehlsempfänger agiert". Müssen die zum Zeitpunkt ihrer Auffindung 18 bis 25 Jahre alten "Kinder" also erst erwachsen werden? "Sie müssen in ihre erwachsene Welt begleitet werden", antwortete die Expertin.
Ein wenig herausstechen dürfte der Älteste, der im Oktober im Dorfwirtshaus den entscheidenden Hinweis gegeben hatte. Er habe wohl gewissermaßen einen Abgleich mit der Realität gehabt, und dürfte eine gewisse Eigenständigkeit entwickelt haben, meinte Rossmanith, und sei so nicht mehr umfassend unter die bizarren Ansichten des Vaters und des Österreichers gestellt gewesen: "Er muss zumindest einiges gewohnt gewesen sein", soll auch als Tischler gearbeitet haben. Man müsse jetzt aber nicht annehmen, dass die anderen Opfer jetzt lebensbegleitet schwerst geschädigt seien, aber sie werden "einen Raum brauchen, wo sie sich entfalten können und die Sicherheit, die sie bisher nicht hatten, muss von außen zur Verfügung gestellt werden" - das könne man mit Sicherheit sagen.